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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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spielerisch und experimentierfreudig und zugewandt und kommunikativ — , die ihnen außerordentliches Vergnügen bereiteten, galten diese Eigenschaften in der Beziehungssprache, die sie gelernt hatten, nicht als »wundervoll«.
    Ich erörterte diese »gewöhnlichen Beziehungen«, von denen die Frauen sprachen, mit der New Yorker Ehetherapeutin Laura Singer. Sie hörte von manchen ihrer Patientinnen, die außereheliche Verhältnisse hatten, ähnliche Geschichten. »Es ging nie um den Märchenprinz, der ankam und ihr Herz im Sturm eroberte«, meinte Singer. Vielmehr seien »die Phantasien sehr realistisch«.
    Die Frauen versuchten nur dann das idealisierte Modell des »Märchenprinzen« wiederzubeleben, wenn sie aus ihrer Ehe ausbrechen und sich einen neuen Lebenspartner suchen. Eine solche Phantasie »ist eher nach einer Scheidung zu erwarten«, hat Singer festgestellt, »wenn eine Frau offenkundig nach einem neuen Ehemann sucht und es sich zum Ziel setzt, jemand Besseren als ihren früheren Mann zu finden. Dann werden eine Menge Vergleiche zwischen den zwei Männern gezogen .« Die Wahl eines neuen Ehemannes treibe die Frau somit wieder in die alten Strukturen zurück, wo bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen, damit sich eine »gute« Ehe ergibt, obwohl diese Kriterien ihren emotionalen oder sexuellen Bedürfnissen erfahrungsgemäß nicht immer am besten entsprechen. Durch die Wahl eines außerehelichen Partners trete sie hingegen aus dieser Struktur heraus und könne eine andere Phantasie entwickeln, nämlich »wie eine Erwachsene behandelt zu werden«.

Sich wie eine Erwachsene fühlen

    Laura ist fünfunddreißig und seit zehn Jahren glücklich mit einem städtischen Bediensteten namens Vince verheiratet. Seit fünf Jahren hat sie ein Verhältnis mit ihrem Kollegen in dem Fotogeschäft, in dem sie arbeitet. Der Hauptunterschied, den sie in ihren zwei Beziehungen sieht, ist der, daß ihr Liebhaber Cliff »sie wie eine Erwachsene behandelt«, und damit meint sie, daß er sie als eine Frau mit vielen Stimmungen und widersprüchlichen Wünschen sehe, eine komplexe und, wie sie es formuliert, »schwierige« Person. Ihr Mann, vor dem sie »aus Rücksichtnahme und damit alles glatter läuft«, ihre Stimmungen verbirgt , sieht sie nach ihrem Gefühl nicht in diesem Licht.
    Cliff gegenüber ist sie, wie sie sagt, »launischer« als ihrem Mann gegenüber, womit sie meint, daß sie viel offener zu ihm ist: etwa eher bereit, ihm zu sagen, wenn sie nicht mit ihm schlafen möchte, oder wenn sie traurig, wütend oder verstört ist. Dennoch befürchtet sie gegenüber Cliff weniger als gegenüber ihrem Mann, daß er sie deswegen bestraft; daß er ihre Stimmungen als feindselig interpretiert oder sie ihr irgendwie ankreidet. Cliff gegenüber fühlt sie sich weniger »ablehnend«, »fordernd« und »sich verweigernd«; »freier, zu tun und zu sein, wozu ich im Augenblick wirklich gerade Lust habe«. Laura spürt einen Zusammenhang zwischen ihrer Kommunikationsbereitschaft gegenüber Cliff und dem ihr so wichtigen Gefühl, »wie eine Erwachsene behandelt zu werden«.
    Sie hat das Gefühl, in einem merkwürdigen Dilemma zu stecken. In gewisser Weise, glaubt sie, bekomme ihr Mann einen »besseren« Teil von ihr als Cliff, weil sie zu Hause um soviel »weniger launenhaft« sei. Sie bemühe sich, den Umgang mit ihr »leichter« zu machen, was »die Ehe weitaus weniger unter Druck setzt«, als wenn sie sich vollständig offenbarte. Und dennoch führt sie ihre Intimität mit Cliff auf genau die Launenhaftigkeit zurück, die sie vor Vince so sorgfältig verborgen hält; sie findet auch, daß Cliff sie »mehr mag als Vince«.
    Laura versucht zu verstehen, warum ihr die nicht launische, die selbstlose Ehefrau, die sie ihrem Mann so bemüht präsentiert, das Gefühl der »Infantilisierung« gibt, während es ihr die kompliziertere, authentischere und stimmungsabhängigere Persönlichkeit, die sie Cliff offenbart, gestattet, sich erwachsen und angenommen zu fühlen. Sie mißt ihrer »Launenhaftigkeit« bei all dem eine entscheidende Rolle bei — daß diese ein wichtiger Faktor in beiden Beziehungen ist — und setzt sich mit dem Gedanken auseinander, daß es vielleicht unklug und unnötig ist, Vince — oder sonst jemanden — ihr geschöntes Selbst zu präsentieren. Sicherlich muß die erstaunliche Freiheit, die sie gegenüber Cliff empfindet, etwas mit ihrer Echtheit und Offenheit — ihren wechselnden Stimmungen — zu tun haben. Aber

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