Die heimliche Lust
seither in meinem Verhalten stets von meinen Stimmungen leiten lassen. Jetzt kann es passieren, daß ich mich von einer Minute zur nächsten frage: Werde ich ihn morgen sehen? Wann? Habe ich überhaupt Lust, ihn zu sehen? Dabei gibt es kein Protokoll, sondern ich lasse mich von meinen Gefühlen leiten. Dadurch ist mir deutlicher bewußt geworden, was ich wirklich will und was ich brauche, und beides bildet im Grund den Kern meiner neuen Beziehung.
Auch Alix hatte das Gefühl, ihre eheliche Beziehung habe am meisten unter ihrer »Launenhaftigkeit« gelitten — und andererseits bildete diese die Grundlage ihres außerehelichen Verhältnisses.
Meinem Mann gegenüber habe ich immer dieses Gefühl, in der richtigen Stimmung sein zu müssen, um mit ihm zu schlafen. Beinahe automatisch sind wir zueinander »nett«, bevor wir miteinander ins Bett gehen. Als ob es darauf ankäme — wissen Sie, man duscht sich und versucht, in eine nette Stimmung zu kommen, damit es funktioniert. Das alles ist sehr, sehr subtil. Irgendwie müssen wir in diesem bestimmten Zustand sein — ich weiß nicht, wie ich den anders beschreiben soll als »nett«; scheinbar unbeschwert, als ob wir Gäste hätten. Er lächelt, ich lächle; dann geht alles gut. Wenn es anders ist, jedes andere Vorgehen, jede andere Stimmung — wenn ich zu dem Zeitpunkt abgelenkt oder gereizt oder ärgerlich bin und nicht in der Träumerei von Nettigkeit, dann geht der Sex total schief, als ob ich unsere Abmachung verraten hätte: Sei du nett, und ich werde nett sein, und dann können wir vögeln.
Ich frage Alix: »Was geschieht, wenn Sie nicht in diese nette Stimmung kommen können ?«
Ich weiß nicht genau, was geschieht. Wir haben dann einfach nie zusammengefunden, mit Ärger, Traurigkeit oder auch nur Ambivalenz, was immer es war. Vielmehr ist es so, daß wir beide in gewisser Weise schon innerlich bereit sein müssen, wie aufs Stichwort. Okay, Schatz? Sicher, Liebling! Mein Mann ist einfach nicht bereit, mich zu verführen. Wenn ich von etwas in Anspruch genommen bin, dann versucht er nicht, mein Interesse zu wecken, wenn ich nicht in der Stimmung bin, dann versucht er nicht, mich in Stimmung zu bringen. Und das ist so traurig, denn es gefällt mir ungeheuer, wenn sich ein Mann diese Mühe macht. Ich glaube, ich bemühe mich auch nicht sehr, ihn zu verführen. Das ist kein Bestandteil unseres Repertoires; es würde doch nur in die Hose gehen. Deshalb fühle ich mich immer als die Böse, weil es so arrangiert ist, daß ich diejenige bin, die entscheidet, ob wir heute abend miteinander schlafen, weil es mir am schwersten fällt, in diese Stimmung zu kommen. Ich bin die Böse, die mit den Kopfschmerzen.
Aber wie können Sie abstrakt in die Stimmung kommen, um Gottes willen? Indem Sie sich Bilder von nackten Männern anschauen? Masturbieren, bevor Sie ins Bett gehen?
Ich habe immer diese schreckliche Angst, bevor wir miteinander ins Bett gehen, daß es mir nicht gelingen wird, in diese ätzend »nette« Stimmung zu kommen, die das einzige Signal für ihn zu sein scheint, daß ich bereit bin und daß es losgehen kann.
Was, glauben Sie, steckt hinter all dem?
Ach, daß wir Angst haben, ambivalent sind, daß wir uns unserer gegenseitigen Attraktivität nicht sicher sind. Auf der rein sexuellen Ebene ist es klar: Wenn ich schon bereit bin, braucht er keine Arbeit zu leisten — es besteht keine Gefahr, daß er scheitert. Die Phantasie von der Frau, die einfach daliegt und jederzeit bereit ist, es zu schaffen.
Ja. Die Psychoanalytikerin Ethel Person bezeichnet diese Vorstellung als die >omni-verfügbare Frau<.
Richtig! Zu jeder Zeit, an jedem Ort, auf jede Art. Aber noch mehr hat es mit dieser Verlogenheit zu tun. Sex ist für uns abgeschnitten von der Welt echter Gefühle; es ist eine Pflicht. Eine angenehme Pflicht. Das ist der Sinn all dieser Nettigkeit. Bist du bereit, deine angenehme Pflicht zu erfüllen, Schatz? Das ist nicht echt. Das ist etwas, was man aus dem Fernsehen oder von seinen Eltern lernt. Irgendein idealisiertes Ritual, das ein Paar vollzieht und das nichts mit wirklichen Menschen zu tun hat, das nicht vom Herzen kommt. Und ich bin zutiefst überzeugt, daß wir da nicht ausbrechen können, wenn wir es nicht schaffen, ins Bett zu steigen und die Wut und Angst auszudrücken, die wir eigentlich empfinden. Haben Sie es versucht?
Anfangs denke ich immer, daß ich es tun werde. Aber wenn wir tatsächlich zusammenkommen, dann tue ich es doch nicht. Ich
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