Die heimliche Päpstin
herausragende offizielle Funktion in der Kurie ausgeübt – und natürlich wußte man, daß Marozia die Tochter der Papstgeliebten war, zudem die Tochter des mächtigsten Mannes in der Stadt und die Frau des zweitmächtigsten. Zudem flüsterte man sich zu, daß diese Tochter die Geliebte eines Papstes gewesen sei – mit Folgen! – und den jetzigen Papst, also den Geliebten ihrer Mutter, mit dem Charme ihrer Schönheit verehre, um nicht zu sagen: verfolge.
Marozia ließen all diese Gerüchte kalt; sie strahlte in ihrem hermelingefütterten Mantel wie eine kaiserliche Herrscherin und schien sich nicht daran zu stören, daß sie die einzige Frau innerhalb einer streng gegliederten Männerhierarchie war. Immerhin hatte sie ihre Weiblichkeit ein wenig verborgen, indem sie sich ihre Haare von mir hatte flechten, hochbinden und mit einer tiaraähnlichen Samtkappe bedecken lassen, was reichlich seltsam aussah, jedoch ihr edel geformtes Antlitz und ihre vornehme Schönheit zur Geltung brachte.
Theodora stand mit mir ganz in ihrer Nähe, am Fuße der Treppe, die in die Basilika führte, und hielt meine Hand. »Es ist dem Biest gelungen, mich von der Seite des Papstes zu vertreiben«, flüsterte sie mir zu. »Schau, wie sie triumphiert!«
Tatsächlich schien Marozia in unsere Richtung zu blicken, bevor sie sich dem heranschreitenden, trotz seiner ausgreifenden Bewegungen unsicher wirkenden Berengar zuwandte.
»Gönn ihr diesen Platz. Johannes kann sich unmöglich seine Geliebte an die Seite stellen, das mußt du verstehen. Er wird ja jetzt bereits hinter vorgehaltener Hand Johannes Theodoras genannt.«
»Aber warum dann Marozia? Ich weiß, daß sie etwas im Schilde führt, die Schlange. Und siehst du den Jüngling, den Johannes plötzlich als seinen Bruder herbeigezaubert hat?«
»Hast du noch nie von ihm gehört?«
»Doch, er erwähnte einmal einen Bruder, der ein geschickter Schwertkämpfer sei; aber schau mal, wie jung er ist. Vielleicht ist es nicht sein Bruder, sondern … Du weißt schon. Dieser Pietro ist bereits zum superista ernannt worden und führt die Leibwache des Papstes; angeblich hat er an der Seite des Heiligen Vaters gegen die Sarazenen gekämpft und sich dabei ausgezeichnet.«
Ich zuckte die Achseln. »Ich erinnere mich nicht an ihn.«
»Ich mich auch nicht.« Theodora schaute aufmerksam auf Pietro, der in der Tat ein schmucker Jüngling war. »Meinst du, Johannes hat auf seine alten Tage die Reize seines eigenen Geschlechts entdeckt?«
Überrascht schaute ich sie an. Hätte sie diese Frage nicht viel eher beantworten können?
Allerdings hatte sich während der letzten Monate ein gereizter Ton zwischen Theodora und Papst Johannes eingeschlichen – womöglich war ihre Liebe ein wenig erkaltet.
Die Krönung König Berengars zum Kaiser verlief weiter wie geplant mit Salbungsmesse, Prozession nach San Giovanni in Laterano, Urkundenverlesung, Huldigung des Volkes und einem Festmahl, das angesichts des Hungers in der Stadt ungewöhnlich bescheiden ausfiel.
Kaiser Berengar blieb bis zum Weihnachtsfest in Rom, ließ ein paar Direktiven aufsetzen, die niemand beachtete, brach dann, angeblich gezwungen von unabweisbaren Aufgaben, nach Norden auf.
Bei der kargen Abschiedsfeier unterstrich Berengar den entscheidenden Anteil des ›erhabenen Kaisers‹ an der Befreiung Roms und Befriedung des Landes. Dereinst werde er seinen Weg in die Geschichtsannalen finden: »Anno domini neunhundertfünfzehn«, rief er laut den ihn anlächelnden Würdenträgern zu, »besiegte der erhabene Kaiser Berengar die Sarazenen, befreite Italien von ihrer Plage und einte es unter seiner unangefochtenen Führung.«
Papst Johannes zeigte keine Reaktion, während Alberich, kaum hatte der sich blähende Kaiser die Aula verlassen, ausspuckte und Theophylactus seinen Mund verächtlich verzog: »Diese langobardische Ratte«, stieß er aus, »kann uns gestohlen bleiben!«
44
Theophylactus hatte nach dem Sieg am Garigliano den Zenit seines Ansehens erreicht. So sehr die Brandschatzungen und Mordaktionen der Sarazenen seinen zuvor aufgeblühten Besitzungen und Geschäften geschadet hatten – nach dem Sieg strömten Menschen aus vielen Teilen unseres Landes in das römische Umland, machten sich mit Energie an den Wiederaufbau, die Frauen zeigten eine gesegnete Fruchtbarkeit, und die Römer nahmen die anschwellenden Pilgerströme freundlich auf. Aaron hatte mit seiner Vorhersage recht behalten und erhielt sein Geld mit allen
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