Die heimliche Päpstin
Funken flogen, da krachten die Äxte auf Schilde, trafen die Klingen Helme und Armschienen, Pferde stürzten mit einem Speer in der Brust oder mit durchtrennten Sehnen auf Verwundete und begruben sie unter sich. Krummsäbel wirbelten, Schädel teilten sich, und heraus trat, blutumspült, eine graue Masse. Köpfe rollten, im Dreck lagen Arme, auf die die Pferde trampelten, Blut spritzte empor.
Aus den brennenden Zelten und Schuppen kamen schreiende Sklavinnen als lebende Fackeln herausgestürmt. Ich versuchte, ihnen zu helfen, doch es war kein Durchkommen mehr. Männer stürzten sich auf sie, um die Flammen zu ersticken und die brennenden Kleider ihnen vom Leib zu reißen, und nackt flehten die Frauen, die Haut versengt, die Arme hochgereckt, um Hilfe.
Immer mehr Feuer loderten nun empor, und ich hörte, wie einer der Männer einem anderen zuschrie, die Sarazenen zündeten selber ihr Lager an und würden beginnen, sich in den Garigliano zu stürzen oder in Richtung der Berge zu fliehen.
Zum Glück wurde um mich herum nicht mehr gekämpft, und meine Stute stakste über Leichen, ohne dabei den Leibern und Gliedern ausweichen zu können. Manchmal schrie unter mir noch jemand auf, oder ich blickte in starre, glasige Augen, in Gesichter, aus denen jeder menschliche Zug entwichen war. Die geretteten Sklavinnen hockten nun unansprechbar auf einem Haufen, klammerten sich wimmernd aneinander.
Die ersten unserer Soldaten begannen voller Triumph, ihre Beutestücke in die Luft zu halten, und sofort waren sie umringt von anderen, die ihnen ihren Fund nicht gönnten oder ihnen befahlen, ihn an einem der Sammelpunkte abzugeben.
Jenseits des Lagers, am Fuß einer Anhöhe, flohen die überlebenden Sarazenen in wilder Panik, manche sogar noch auf Pferden, verfolgt von unseren Männern. Alberichs blonde Mähne sah ich leuchten. Nicht weit von ihm entfernt galoppierte der Papst auf seinem Schimmel, eine Streitaxt über den Kopf schwingend. Sein purpurroter, mit einem weißen Kreuz bestickter Überwurf wehte wie eine Fahne hinter ihm. Und da war auch Theodora, jetzt wieder im Sattel sitzend, aber mit einem Langdolch in der Hand, mit dem sie ungezielt und wild auf die vor ihr Fliehenden einstach.
Weil ich vor lauter Rauch kaum atmen konnte, zog ich mich aus den Leichenhaufen und der Blutschwemme zurück. In größerer Entfernung folgte ich den Flüchtenden und ihren Verfolgern. Unter mir lagen zerstreut, manche seltsam verrenkt oder ohne Gliedmaßen, die Erschlagenen. Ohne mir bewußt zu sein, was ich tat, schaute ich jedem der Toten ins Gesicht.
Heute weiß ich, daß ich jemanden suchte.
Ja, ich suchte ihn, Yussuf, den Mann, der mein Leben zerstört und der es zugleich gerettet hatte. Und ich fand ihn.
Ich mochte es kaum glauben, daß er plötzlich unter mir auf dem Rücken lag, mit einer klaffenden Wunde in der Brust, aus der Blut sprudelte. Rasch sprang ich ab, kniete mich neben ihn. Sein Atem ging flach. Noch war er nicht tot, noch bewegten sich sogar die Augen, die in den Himmel gestarrt hatten und sich nun langsam mir zuwandten.
Vorsichtig nahm ich seinen Kopf in meine Hände und beugte mich über ihn. Seine Augen schienen meinem Anblick nicht standhalten zu können, die schwarzen Pupillen kippten nach oben weg, so daß ich nur noch das Weiße sah. Dann waren sie plötzlich wieder da und hefteten sich auf mich, auf meine Augen. Als Yussuf etwas sagen wollte, floß ein Schwall Blut aus seinem Mund, dabei blieben die Augen auf mich gerichtet, bewegten sich nun nicht mehr, erstarrten, wurden leer.
Yussuf war tot.
Ich glaubte sogar ein Lächeln des Wiedererkennens auf seinen Lippen entdecken zu können. Vorsichtig schloß ich ihm die Lider.
Schwach und sterbenselend erhob ich mich und wollte mein Pferd besteigen, als ich an seiner rechten Hand einen goldenen Ring mit einem eingelassenen Saphir entdeckte. Mit einem Schrei stürzte ich auf die Knie und zog ihn von der noch warmen Hand: Es war der Ring meines Vaters.
42
Papst Johannes X. und seinen Truppen war es gelungen, die Sarazenen, die seit über einem halben Jahrhundert Rom bedroht und das Umland verwüstet hatten, bis auf den letzten Mann zu vernichten. Wer der Erstürmung des Lagers und der sich anschließenden Verfolgung hatte entkommen können, wurde in den Bergen von Bauern oder Schäfern erschlagen, verhungerte oder endete als ein Opfer der Wölfe.
Rom jubelte seinem päpstlichen Befreier und Erlöser zu wie auch seinen Helfern: Konsul Theophylactus, den
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