Die heimliche Päpstin
denken.
»Angelo ist ein wahrer Orpheus«, schwärmte sie. »Wird dir nicht ganz anders, wenn du ihn spielen hörst?«
Mir wurde überhaupt nicht anders, als ich ihn beim nächsten Mal flöten hörte, und zwar im Baderaum, den Theodora sich nach altrömischen Vorbildern hatte bauen lassen, was nicht so einfach gewesen war, weil die heutigen Baumeister die Techniken der unterirdischen Warmwasserbereitung kaum mehr beherrschen.
Nach einer Weile unterbrach Angelo sein Spiel; dafür kicherte Marozia, und das Wasser plätscherte. Lauschend blieb ich stehen. Zuerst herrschte tiefe Stille, dann seufzte Marozia zufrieden und stieß wohlige Laute aus, wie immer beim Einsalben und Massieren. Vermutlich hatte sie wie ich von Angelos Neigungen gehört, hatte dabei an seinen gertenschlanken Körper gedacht, an die glühenden Augen, stellte sich womöglich vor, sie könnte ihn von seinen widernatürlichen Neigungen erlösen …
Ich muß gestehen, daß ich nicht nur lauschte, sondern mich dem Bad ein wenig näherte, bis ich erspähte, was dort geschah und was unzweideutig über Einsalben und Massieren hinausging …
Und dies geschah täglich.
Marozias Stimmung besserte sich während dieser Zeit, und trotz oder wegen der Ablenkungen durch Angelo versuchte sie mit zunehmender Intensität, Politik zu treiben. Immer wieder bat sie Papst Johannes zu sich; er wies jedoch auf die Fülle seiner Amtsgeschäfte hin und ließ sich entschuldigen. Wenn er erschien, dann mit Pietro an seiner Seite.
An ein Treffen erinnere ich mich besonders. Marozia hatte sich lange von Angelo vorspielen lassen, während sie geschminkt wurde, trug gleichwohl ihre Haare offen und nur mit einem durchsichtigen Seidentuch bedeckt, als der hohe Besuch angekündigt wurde. Sie deutete einen Fußfall an, senkte in ausgiebiger Inbrunst ihre Lippen auf die Ringhand des Papstes, lächelte ihn an, lächelte auch Pietro an, führte beide zu ihren mit brokatbezogenen Kissen bedeckten Sitzgelegenheiten und bat Johannes dann, ihren Sohn Giovanni zum Diaconus zu ernennen und ihm trotz seiner Jugend die entsprechende Weihe zu gewähren.
Pietro brachte einige Einwände vor, die Marozia mit schmelzender Stimme, anmutigen Bewegungen sowie Augenaufschlägen zu entkräften versuchte. Giovanni mußte schließlich in seinem neuesten Priestergewand aus edelster Seide und bestickten Brokatstoffen erscheinen und mit seinen Kenntnissen der Kirchenväter glänzen. Sein Pate, der Papst, zeigte sich beeindruckt, nannte ihn nicht nur ›meinen liebsten Sohn‹, sondern prophezeite ihm auch eine große Zukunft zum Wohle des Herrn in der Gemeinschaft seiner Jünger. Marozia strahlte, küßte den päpstlichen Ring, umarmte schließlich sogar Johannes, ohne sich an Pietros mißbilligendem Räuspern und den leicht indigniert schauenden Prälaten der Kurie, die den Troß des Papstes bildeten, zu stören. Auch dem zukünftigen Diaconus Giovanni war die Liebreizattacke seiner Mutter unangenehm.
Bevor sich Papst Johannes mit seinem Troß verabschiedete, kam das Gespräch auf einen weiteren Punkt, der Marozia am Herzen lag: Im Norden des Landes war ein Aufstand gegen König und Kaiser Berengar ausgebrochen: Insbesondere die westlichen Herzogtümer und Grafschaften der Po-Ebene hatten ihn für abgesetzt erklärt und an seiner Stelle Herzog Rudolf von Hochburgund nach Pavia gerufen. Marozia hatte schon immer zur Partei der Berengar-Gegner gehört und unterstellte dem ›aufgeblasenen Langobarden‹, wie sie ihn nannte, gefährliche Kungelei mit den Ungarn. Der Papst dagegen hatte bereits dafür gesorgt, daß Berengar in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, und war sein Bundesgenosse geblieben. Ja, es gab sogar Gerüchte in Rom, Papst Johannes' Bruder Pietro sei nichts anderes als ein Gefolgsmann und Spion Berengars, der mit seiner Hilfe den Kirchenstaat und darüber hinaus ganz Mittelitalien unter seinen Einfluß bringen wollte.
Marozia erklärte nun, auf Grund von Berengars Tyrannis (dieses Wort hatte sie von mir gelernt) sei der Aufstand berechtigt; daher bitte sie den Heiligen Vater, seine bisherige Politik zu überdenken und die Sache der Aufständischen zu unterstützen.
Papst Johannes tauschte einen kurzen Blick mit Pietro aus, während unter den Prälaten ein Gemurmel entstand, räusperte sich und erklärte: »Meine liebe Tochter, der Herr hat in seiner Gnade deiner Familie Reichtum und Einfluß beschert, den sie in Rom und seiner Umgebung auszuüben berechtigt und in der Lage ist. Was jedoch
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