Die Heiratsschwindlerin
Raum, von weißen Wänden, hohen Decken und riesigen Parkettflächen. Nichts, was sie sonst noch angeschaut hatten, war auch nur annähernd daran herangekommen. Und nichts war so sündhaft teuer gewesen.
»Gefällt sie dir?«, wollte Harry wissen.
»Sie ist toll.« Simon schlenderte zu einem Kamin und fuhr mit der Hand darüber. »Sie ist toll«, wiederholte er. Mehr traute er sich nicht zu sagen. Die Wohnung war mehr als toll. Sie war schön, vollkommen. Milly wäre völlig hingerissen. Doch als er so dastand und sich umsah, verspürte er lediglich einen Stich in der Brust.
»Nette hohe Wände«, meinte Harry. Er öffnete einen leeren, vertäfelten Schrank, blickte hinein und schloss ihn wieder. Als er zum Fenster schlenderte, echoten seine Schritte auf dem bloßen Boden. »Nette Holzläden.« Er klopfte prüfend auf einen.
»Die Läden sind toll«, sagte Simon. Alles war toll. Er konnte keinen einzigen Makel entdecken.
»Du wirst dir anständiges Mobiliar anschaffen müssen.« Harry sah Simon an. »Brauchst du dabei Hilfe?«
»Nein«, erwiderte Simon. »Danke.«
»Na, ich hoffe jedenfalls, dass sie dir gefällt.« Harry zuckte leicht mit den Achseln.
»Die Wohnung ist wunderschön«, sagte Simon steif. »Milly wird begeistert sein.«
»Gut«, meinte Harry. »Wo steckt sie denn heute?«
»In London. Auf irgendeiner geheimnisvollen Mission. Ich glaube, sie kauft ein Geschenk für mich.«
»All diese Geschenke«, frotzelte Harry. »Ihr werdet ja richtig verzogen.«
»Wenn’s dir recht ist, komme ich heute Abend noch mal mit Milly her und zeige ihr die Wohnung.«
»Es ist deine Wohnung. Tu, was immer du magst.«
Sie schlenderten aus dem Wohnzimmer in einen lichten, breiten Korridor. Das größte Schlafzimmer überblickte den Garten: Türhohe Fenster öffneten sich zu einem kleinen schmiedeeisernen Balkon.
»Mehr als zwei Schlafzimmer braucht ihr nicht.« In seiner Stimme schwang ein kleines Fragezeichen mit. »Ihr denkt doch sicher nicht gleich an Kinder?«
» O nein. Dafür ist noch eine Menge Zeit. Milly ist erst achtundzwanzig.«
»Trotzdem …« Harry drückte auf einen Lichtschalter an der Tür, und an der Decke erstrahlte eine nackte Glühbirne. »Ihr werdet Lampenschirme brauchen. Oder was immer.«
»Ja«, sagte Simon. Er sah seinen Vater an. »Wieso? Meinst du, wir sollten gleich Kinder bekommen?«
»Nein«, erwiderte Harry mit Nachdruck. »Bloß nicht.«
»Wirklich nicht? Aber bei dir war’s doch so.«
»Eben. Das war ja unser Fehler.«
Simon versteifte sich.
»Ich war ein Fehler, ja?«, sagte er. »Ein Versehen?«
»So habe ich das nicht gemeint, und das weißt du auch«, versetzte Harry gereizt. »Sei doch nicht immer eine solch verdammte Mimose!«
»Was erwartest du, wenn du mir gerade erzählst, dass ich unerwünscht war?«
»Natürlich warst du erwünscht!« Harry machte eine Pause. »Der Zeitpunkt hätte halt günstiger liegen können.«
»Tja, tut mir leid, wenn ich ungelegen gekommen bin«, erwiderte Simon zornig. »Aber eine Wahl über den Zeitpunkt meines Kommens hatte ich ja nicht. Die Entscheidung lag nicht direkt bei mir, oder?« Harry zuckte zusammen.
»Hör mal, Simon. Ich meinte doch bloß …«
»Ich weiß, was du gemeint hast!«, versetzte Simon und ging zum Fenster. Er starrte in den verschneiten Garten hinaus und versuchte, seine Stimme zu mäßigen. »Ich war eine Last, stimmt’s? Und das bin ich noch immer.«
»Simon …«
»So, jetzt hör zu, Dad. Ich werde dir nicht länger zur Last fallen, okay?« Simon wirbelte mit bebendem Gesicht herum. »Aber deine Wohnung kannst du behalten, herzlichen Dank. Milly und ich werden uns selbst was suchen.« Er warf die Schlüssel auf den Boden und eilte zur Tür.
»Simon!«, rief Harry wütend. »Sei doch nicht so dumm!«
»Tut mir leid, dass ich dir all die Jahre im Weg war«, sagte Simon an der Tür. »Aber nach Samstag bin ich fort. Du brauchst mich nie wieder zu sehen. Das könnte für beide Teile eine Erleichterung sein.«
Er schlug die Tür zu und ließ Harry allein zurück, der auf die im winterlichen Sonnenlicht blinkenden Schlüssel starrte.
Die Family Registry war groß, hell und mit einem weichen, grünen Teppich ausgelegt. In modernen Buchenholzregalen waren Unmengen von Registerbänden untergebracht, unterteilt in Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle. Bei den Eheschließungen, zu denen Milly sich beklommen begab, war bei weitem am meisten los. Leute wuselten herum, holten sich Bände aus den
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