Die heiße Nacht auf den Bahamas
Cass", fing Willa in dem gönnerhaftesten Ton an, der
Cassie jemals untergekommen war.
"Cassie",
korrigierte sie Willa.
"Cassie,
ich weiß, was in Ihnen vorgeht. Wirklich."
Cassie
sah sie neugierig an. "Was geht denn in mir vor?"
"Sie
wollen schlicht und einfach Rache."
"Rache?"
Cassie hatte das Gefühl, als wäre ihr eine Ohrfeige
verpasst worden. Diese Frau war genauso schrecklich wie Oliver.
Hielten die beiden sie tatsächlich für so ichbezogen?
Hunderte Arbeitsstellen und die Zukunft der Stadt hingen von Demion
Mills ab. "Das hat absolut nichts mit Rache zu tun."
"Nun,
aber was wollen Sie dann?"
Diese
Stadt kann es sich nicht leisten, den Textilbetrieb zu verlieren."
Willa
seufzte theatralisch, als würde diese Unterhaltung sie ermüden.
"Cassie, ich möchte Ihnen einen Deal vorschlagen. Ich habe
mit Hunter gesprochen, und er versicherte mir, nicht jeder würde
entlassen werden. Ich bin in der Lage, Ihnen einen Job zu
garantieren, aber nur unter einer Bedingung."
"Und
wie lautet die?"
"Helfen
Sie uns dabei, diese Transaktion reibungslos abzuwickeln."
"Welche
Transaktion?"
"Den
Verkauf. Hunter Axon wird herkommen, um das Geschäft perfekt zu
machen. Ich möchte, dass Sie mir versprechen, nichts dagegen zu
unternehmen."
Cassie
verzog keine Miene. Sie hatte keine Angst vor Willa, aber sie war
wütend auf sie. Mit einem mal wurde ihr klar, weshalb sie nicht
an Hunter Axon herangekommen war. Seine Assistentin hatte von Willa
die Anweisung bekommen, sie von ihm fern zu halten. "Haben Sie
Ihren Leuten gesagt, sie sollen mich nicht zu Mr. Axon vorlassen?"
"Ich
arbeite für ihn. Mein Job ist es, die Brände zu löschen."
"Die
Brände zu löschen?"
"Sozusagen."
Willa seufzte erneut. "Sehen Sie, Cassie, es tut mir wirklich
Leid wegen Oliver. Aber ich rate Ihnen sehr, mein Angebot anzunehmen.
Wenn Sie mich für hart halten, nun, ich versichere Ihnen,
verglichen mit Mr. Axon, bin ich ein Schatz."
Den
Angestellten von Demion Mills war von Willa eine Abfindung in Höhe
eines Wochenlohns für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit
angeboten worden. Auf dem Papier war das eine hübsche Summe.
Aber wurde dadurch der Verlust der Weberei ausgeglichen? Der
Textilbetrieb war der größte Arbeitgeber in Shanville.
Dieser Betrieb stützte die Wirtschaftskraft der gesamten Stadt.
Welche anderen Jobs kamen für die Menschen infrage, die ihr
ganzes Leben für Demion Mills gearbeitet hatten? Und wo sollten
sie diese Stellen finden?
"Ich
werde jede Chance nutzen, ihm meine Einwände vorzutragen",
erklärte Cassie entschlossen.
"Sie
haben keine Ahnung, mit wem Sie es zu tun haben. Sie glauben, Mr.
Axon wird sich von Ihrer rührseligen kleinen Geschichte
beeindrucken lassen? Sie denken, er macht sich etwas aus Ihrer
kleinen Stadt? Für ihn ist nur eine Sache wichtig, nämlich
Geld zu verdienen." Willa lächelte. Aber dieses Lächeln
wirkte nicht freundlich, sondern eiskalt. "Ich kenne ihn seit
Jahren, sogar schon länger, als ich für ihn arbeite. Er ist
der Beste in seiner Branche, und er geht nicht gerade freundlich mit
Leuten um, die sich ihm in den Weg stellen."
"Ich
will doch bloß mit ihm reden."
"Falls
Sie Mr. Axon Schwierigkeiten machen und dieser Fall in die Medien
kommt, dann garantiere ich Ihnen, dass er sie zerquetschen wird wie
eine Wanze. Haben Sie mich verstanden?"
Instinktiv
griff Cassie nach der Halskette, die sie seit ihrer Kindheit getragen
hatte, ein goldenes Herz, das ihre Mutter als Verlobungsgeschenk von
ihrem Vater bekommen hatte. Aber das Herz war nicht mehr da, um ihr
Kraft zu spenden. Cassie hatte die Kette mit dem Anhänger auf
den Bahamas verloren.
"Ich
habe keine Angst vor ihm."
"Dann
sind Sie eine noch größere Närrin, als ich vermutet
habe."
Cassie
sah weg. So ungern sie das zugab, sie hatte das Gefühl, dass
Willa Recht hatte. Wie konnte sie so dumm sein und glauben, sie
könnte tatsächlich etwas erreichen, was andere nicht
geschafft hatten?
"Lassen
Sie mich deutlich werden", sagte Willa und legte eine kalte Hand
auf Cassies Hand. "Falls Sie mit Ihren Störungen
fortfahren, werde ich das Abfindungspaket streichen, das wir
angeboten haben."
"Ich
lege keinen Wert auf Ihre lausige Abfindung."
"Sie
vielleicht nicht. Aber was ist mit …" Sie griff nach
einer Akte und kniff beim Lesen die Augen zusammen, "…
Luanne Anderson? Ich glaube, deren Tochter hat einige Probleme, nicht
wahr? Es wäre doch eine Schande, wenn sie ohne Abfindung
arbeitslos werden würde."
"Drohen
Sie damit, mich zu
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