Die heißen Kuesse der Revolution
Verzweifelt fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. „Aber dann habe ich deinen Brief an Burke gesehen und ihn gelesen, Dominic. Es tut mir sehr leid!“ Ihr Herz pochte wild. „Als ich seinen Namen auf dem Umschlag sah, konnte ich einfach nicht anders.“
„Ich rechne es dir hoch an, dass du mir jetzt die Wahrheit sagst.“
„Und dann war ich überrascht zu lesen, dass unsere Ansichten nicht unvereinbar sind. Du bist gar nicht so reaktionär wie ich befürchtet hatte.“
Er musterte sie lange. „Nein, unsere Ansichten nähern sich in gewisser Weise an.“
Sie berührte seinen Arm. „Ich muss dir noch etwas gestehen. Bitte, werde nicht wütend! Ich habe in deinen Sachen herumgeschnüffelt. Ich habe einen der Briefe von Nadine gelesen.“
Dominic verzog keine Miene. „Ich verstehe, aber lagen diese Briefe nicht mit einem Band umbunden in einer Schublade?“
„Doch! Ich wollte wirklich nicht schnüffeln, ich habe nur nach einem anderen Federkiel gesucht.“
„Ich möchte dir wirklich zu gerne glauben, Julianne, aber ich war nicht erfreut, dich an meinem Schreibtisch vorzufinden.“
„Es wird nie wieder vorkommen!“
Fast wirkte es, als wollte Dominic lächeln, doch er tat es nicht. Er berührte nur flüchtig ihre Wange und wurde sofort wieder ernst. „Ich muss dir auch etwas sagen. Es geht um Nadine.“
Julianne erschrak. Hatte sie sich nicht immer klammheimlich vor diesem Moment gefürchtet? „Sie ist gar nicht tot, oder?“
„Nein, das ist sie nicht.“
Seine Verlobte war am Leben.
Es fühlte sich an wie ein weiterer hinterhältiger Betrug. Ihre Knie wurden ganz weich. „War es auch eine Lüge?“ Dominic hielt Julianne fest. Noch eine Lüge könnte sie nicht ertragen.
„Nein. Ich habe dich nicht getäuscht.“ Er sprach fest. Seine Hände glitten über ihren Rücken. „Jeder dachte, sie wäre 1791 bei einem Massenaufruhr in Frankreich ums Leben gekommen. Zeugen hatten gesehen, wie sie in der Menge verschwand. Meine Mutter nahm an, sie sei zu Tode getrampelt worden. Bis ich letzte Woche wieder nach London kam, habe ich wirklich geglaubt, sie sei tot.“
Seine Verlobte lebte. Nadine war noch am Leben. Nadine, die ihn liebte. Wie konnte sie hier in seinen Armen stehen, obwohl Nadine lebte?
Obwohl ihre Gedanken rasten, hatte sie jedes Wort verstanden. Diese andere, fremde Frau tat Julianne entsetzlich leid. „Dem Himmel sei Dank, dass sie nicht so grausam sterben musste.“
„Das ist ein sehr großzügiger Gedanke von dir.“
„Und du liebst sie noch?“, wisperte sie.
Er zog sie noch enger an sich. „Nicht mehr so, wie du glaubst. Ich liebe Nadine wie eine Schwester.“
Julianne bekam kaum noch Luft. Doch die Tränen, die jetzt in ihre Augen stiegen, waren Tränen der Erleichterung. „Bist du dir ganz sicher?“
„Ich bin sehr sicher.“ Dominic nahm ihr Gesicht in beide Hände, küsste sie jedoch nicht. „Wir lösen unsere Verlobung.“
Julianne starrte ihn verblüfft an.
„Ich habe sie sehr gern. Ich kenne sie schon fast mein ganzes Leben lang und werde immer für sie da sein. Auch sie hat mich gern, aber wir haben uns beide so sehr verändert, dass eine Ehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht infrage kommt. Darin stimmt sie mit mir überein.“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Ich habe ihr von dir erzählt.“
Julianne erschrak. „Du hast was getan?“
„Was für eine Art Mann wäre ich denn, wenn ich mit dir schlafe, während ich noch mit ihr verlobt bin? Ich musste Nadine wenigstens einen Teil der Wahrheit verraten. Ich werde ihr nie sagen, wie eng unsere Beziehung wirklich ist und ich muss dich warnen, weil sie sehr scharfsinnig ist. Sie vermutet bereits, du seist meine Mätresse. Das habe ich natürlich nicht bestätigt.“
Sie war noch immer völlig verblüfft. „Ich kann nicht fassen, dass du ihr von mir erzählt hast.“
„Das war mir aber wichtig, denn du bist wichtig für mich geworden.“
Julianne schwankte in seinen Armen und schnappte nach Luft und endlich küsste Dominic sie.
14. KAPITEL
J ulianne stieg langsam die Treppe hinab. Es war bereits Mittag, und sie war gerade erst aus ihrer Kammer gekommen. Dominic war letzte Nacht wieder bei ihr gewesen. Sie hatten sich geliebt, doch anschließend hatte sie nicht schlafen können. Ihre Gedanken kreisten um Tom, der eingekerkert in einer Zelle in Edinburgh saß, um die erbärmliche Erpressung ihres Onkels und darum, dass Nadine noch lebte. Außerdem machte sie sich Sorgen, weil sie Tom
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