Die heißen Kuesse der Revolution
Amelia ihn ebenfalls attraktiv fand.
„Ich habe den Eindruck, dass sie mich nicht für einen Kriegshelden hält“, fuhr er fort.
Es war ihr kaum möglich, ausgerechnet jetzt an Amelia zu denken. Aber er hatte ein Recht auf eine Antwort. Sie holte tief Luft. Dieser Themenwechsel war ziemlich plötzlich gekommen. „Nein, das tut sie nicht“, hauchte Julianne.
„Sie ist also nicht wie Sie eine Radikale?“, fragte er.
Sie fand ihre Fassung wieder. „Sie ist ganz und gar keine Radikale, Monsieur .“ Sie konnte nicht erkennen, was in ihm vorgehen mochte. Aber sie wollte auch nicht, dass er beunruhigt war. „Allerdings ist sie in keiner Weise politisch. Sie würde Sie nie den Behörden ausliefern, das kann ich Ihnen garantieren.“
Er blickte sie nur an und bedachte, was sie gesagt hatte. Dann rieb er sich den Nacken, als würde es ihm dort wehtun. Bevor sie fragen konnte, was ihm fehlte, sagte er: „Sind Sie denn von hier aus in der Lage, unseren jakobinischen Freunden in Frankreich Hilfe zu senden? Ist es einfach, mit ihnen in Kontakt zu treten?“
„Einfach ist es nicht, aber es reisen Kuriere hin und her. Man braucht lediglich ein hübsches Sümmchen zu bezahlen, um eine Nachricht über den Kanal zu schicken.“ Wollte er jemandem einen Brief zukommen lassen? Sie verkrampfte sich. Bestimmt wollte er Nadine wissen lassen, dass er noch am Leben war.
„Stimmt etwas nicht?“
Diese Französin musste seine Geliebte sein. Er konnte unmöglich verheiratet sein, so offen wie er mit ihr flirtete. Aber sie wollte diesen Abend nicht verderben, indem sie ihn nach Nadine fragte. Sie hatte Angst, herausfinden zu müssen, dass er diese Frau noch immer liebte. Julianne lächelte. „Ich dachte nur gerade, dass ich gern für unsere Freunde in Paris von größerer Hilfe sein könnte. Bisher haben wir nur ein paar Briefe und Ideen ausgetauscht.“
Er lächelte sie an. „Und wie ist Ihr Bruder Lucas so? Irgendwann werde ich mich dafür revanchieren müssen, dass ich hier in seinen Sachen herumlaufen darf.“
Sie betrachtete ihn genau und spürte, dass er eigentlich viel mehr wissen wollte. „Das wird Lucas überhaupt nichts ausmachen. Er ist ein sehr großzügiger Mensch.“
„Würde er mich denn den Behörden ausliefern?“
Das also fürchtete er, und das natürlich mit vollem Recht. Sie zögerte. Hegte sie nicht genau dieselben Sorgen? Auf jeden Fall war sie hier tatsächlich einem Verhör ausgesetzt. Charles wollte genau wissen, was ihn erwartete.
„Nein“, sagte sie endlich. „Das würde er nicht.“ Denn sie würde ihm das niemals erlauben.
„Er ist also wie Sie ein Radikaler?“
Sie blickte finster. „Nein.“
„Julianne?“
„Ich fürchte, ich muss meinen Bruder Lucas als einen Patrioten bezeichnen“, sagte sie vorsichtig. „Er ist ein Konservativer. Aber für Politik hat er überhaupt keine Zeit. Er kümmert sich um dieses Anwesen, Monsieur , er versorgt seine Familie, und das nimmt seine ganze Zeit in Anspruch. Hier hält er sich so gut wie nie auf und falls er plötzlich auftauchen sollte, würde ich ihm niemals verraten, wer Sie sind.“
„Sie würden also Ihrem eigenen Bruder die Wahrheit vorenthalten, um mich zu beschützen?“
Sie lächelte schwach. „Ja, das würde ich.“
„Weil Sie annehmen, dass er mich ausliefern würde.“
„Nein! Und außerdem kann er das gar nicht, weil er niemals erfahren wird, wer Sie sind.“
„Erwarten Sie ihn denn in nächster Zeit?“
„Er lässt es uns immer im Voraus wissen, wenn er zurückkommt. Um ihn brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“ Aber letzte Woche hatte Lucas auch keine Nachricht vorausgeschickt. Er war einfach plötzlich erschienen. Sie beschloss, Charles lieber nichts davon zu sagen.
Er musterte sie scharf. „Und Ihr anderer Bruder?“
„Jack kümmert sich nicht um diesen Krieg, er steht weder auf der einen noch auf der anderen Seite.“
„Wirklich?“ Charles klang ungläubig.
„Er ist ein Schmuggler, Monsieur . Durch den Krieg sind die Preise für Whisky, Tabak und Tee gestiegen, eigentlich sind alle Preise gestiegen. Jack interessiert an diesem Krieg nur, dass er gut für sein Geschäft ist.“
Er rieb sich erneut den Nacken und seufzte. „Gut.“
Sie konnte ihm seine Neugier nicht vorwerfen. Natürlich wollte er wissen, mit was für Menschen er es hier zu tun haben würde und auch, wo sie politisch standen. Schließlich musste er einschätzen können, ob er sich in Gefahr befand. Sie beobachtete, wie er
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