Die heißen Kuesse der Revolution
hob sie den Kopf und betrachtete ihre Schwester. Amelia schlief in dem anderen Bett, kaum eine Armlänge von ihr entfernt.
Sie hatte erwartet, dass Amelia sie mit vorwurfsvollem Gesichtsausdruck mustern würde.
Stattdessen lag ihre Schwester zusammengerollt auf der Seite und schlief tief und fest.
Sie holte tief Luft, was in der stillen Nacht beinahe laut erklang. Aber ihre Schwester atmete gleichmäßig weiter. Amelia schuftete jeden Tag bis zur völligen Erschöpfung, sodass sie nachts zum Glück schlief wie ein Stein.
Julianne allerdings verbrachte viele ruhelose Nächte. Sie hatte sich angewöhnt, in die Bibliothek zu schleichen, wenn sie nicht schlafen konnte. Dort konnte sie wenigstens lesen. Falls Amelia mitten in der Nacht aufwachen sollte, würde sie bestimmt annehmen, dass Julianne wieder las, auch wenn sie zuvor Verdacht geschöpft hatte, was die Beziehung zwischen Julianne und Charles betraf.
Ihr Herz pochte aufgeregt. Julianne betete, dass das Bett nicht knirschen würde, und setzte sich ganz langsam auf. Es musste gegen Mitternacht sein. Draußen funkelten ein paar Sterne. Der Halbmond war teilweise von Wolken verdeckt. Das Fenster stand einen Spalt offen, beide Schwestern konnten besser schlafen, wenn es kühl in ihrer Kammer war, und frische Meeresluft drang herein. Von draußen in der Bucht klang die Glocke einer Boje zu ihnen herüber.
Amelia rührte sich nicht.
Wollte sie tatsächlich aufstehen und in Charles’ Kammer gehen? Wollte sie sich wirklich einem Mann hingeben, den sie kaum zwei Wochen kannte und der in spätestens zwei Wochen nach Frankreich zurückkehren würde? Wollte sie ihm allen Ernstes ihre Jungfräulichkeit opfern?
Sie zog die Knie an die Brust. Er hatte ihr einen großen Schrecken eingejagt, als er sagte, dass er für ihre gemeinsame Sache zu sterben bereit sei. Dennoch bewunderte und respektierte sie ihn dadurch sogar noch mehr. Ihr Herz klopfte fröhlich und voller Erwartung. Julianne konnte nicht leugnen, dass sie sich Hals über Kopf verliebt hatte.
Ihr war nie bewusst gewesen, mit welcher Unbedingtheit eine Frau einen Mann begehren konnte. Schon bevor er das erste Mal seine Augen geöffnet hatte, hatte sie ihn unglaublich gut aussehend gefunden. Jetzt war es noch viel schlimmer. Jede Unterhaltung, ja sogar jede Begegnung mit ihm stachelte ihr Begehren nur weiter an. Ein solches Begehren hatte sie noch nie in ihrem Leben verspürt. Bei ihm zu sein und ihn berühren zu können war alles, woran sie noch denken konnte.
Julianne spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Er würde nach Frankreich zurückkehren und in den Krieg ziehen. An die Möglichkeit, dass sie ihn vielleicht niemals wiedersehen würde oder dass er sogar sterben könnte, wollte sie gar nicht denken. Sie hatten nur noch so wenig Zeit, die sie miteinander verbringen konnten! Sie warf die Decke beiseite, setzte langsam die Füße auf den Fußboden und lauschte auf das Knarzen der Dielen. Julianne ließ Amelia nicht aus den Augen, doch die bewegte sich nicht.
Julianne huschte aus dem Zimmer und schloss sacht die Tür hinter sich. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Die Erinnerung an seinen ungestümen Kuss hatte sie seit dem Morgen verfolgt. Wie sollte es möglich sein, jetzt nicht zu ihm zu gehen?
Auf bloßen Füßen schlich Julianne über den Flur. Die Dielen waren kalt, doch das spürte sie nicht. Sie fühlte sich heiß und fiebrig.
Seine Tür war zu, aber nicht verschlossen. Sie hob die Hand, um zu klopfen, als ihr einfiel, wie absurd das war.
Julianne öffnete die Tür. Der Raum war sacht erleuchtet. Im Kamin glühten noch die Überreste des abendlichen Feuers. Charles stand, nur in Kniehosen bekleidet, neben dem Kamin. Er blickte über seine Schulter zur Tür.
„Julianne“, hauchte er leise.
Zitternd schloss sie die Tür. Plötzlich war sie unsicher und seltsam furchtsam. Er war ein Fremder, aber sie war verliebt in ihn und wenn alles schlecht lief, würde er in Frankreich sterben.
Er ging auf sie zu. Julianne legte schützend die Arme um sich. Sie starrte auf seine muskulöse Brust, seinen gewölbten, ansprechenden Bauch und Ausbuchtungen, die sich gegen die dünne Baumwolle drückte.
Er lächelte nicht. Seine Augen sprühten Feuer. „Ich war nicht sicher, ob du kommen würdest.“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter, die andere unter ihr Kinn. „Ich möchte, dass du dir ganz sicher bist.“
„Wie könnte ich mich dir jetzt noch entziehen?“, wisperte sie.
Er küsste
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