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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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diebisch lächelnd zusammen. Es machte ihm sichtlich Spaß, Dille zu provozieren.
    »Und nicht zu vergessen: Pfad finden«, ergänzte Piet augenzwinkernd. »Wie Tick, Trick und Track beim Fähnlein Fieselschweif.«
    Dille zwang sich zu einem Grinsen. »Witzig. Haha. Nee, im Ernst. Das wird voll der Spaß! Campen mit Action. Ist doch geil! Also? Seid ihr dabei?«
    Jörn und Piet schauten einander an. Dann nickten beide. »Klar, wieso nicht?«

    Sechs Wochen später hupte es vor Piets Haus auf der Straße.
    Susann schaute aus dem Fenster. »Rambo ist da«, sagte sie zu Piet. »Und er hat ein Schlachtschiff dabei.«
    Piet schaute auch zur Straße hinaus, wo Dille am Lenkrad eines Land Rover saß. Jörn saß auf dem Beifahrersitz. Piet schüttelte angesichts dieses motorisierten Ungetüms ungläubig den Kopf, dann zog er seine Schuhe an.
    »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du zu diesem Macho-Quatsch mitfährst«, sagte sie.
    »Ich kann doch die Geiseln nicht im Stich lassen«, grinste Piet. »Die brauchen mich.«
    Dille hupte erneut.
    Piet gab Susann eine Kuss. »Falls ich es überlebe, sehen wir uns am Montagabend wieder.«
    »Pass auf dich auf«, sagte Susann, und sie klang aufrichtig besorgt.

    Als Piet auf der Rückbank Platz nahm und seinen Rucksack neben sich legte, drehte sich Dille zu ihm und strahlte ihn stolz an. »Geile Karre, oder? Hab ich mir von einem Kumpel ausgeliehen. Wir können ja nicht mit einem Ford Escort ins Kriegsgebiet fahren.«
    »Was verbraucht der denn so?«, fragte Jörn.
    Dille antwortete nicht, sondern gab Gas. »Habt ihr alles mitgenommen, was auf der Liste stand?«, fragte er.
    »Das meiste«, sagte Piet.
    »Na ja, mehr oder weniger«, sagte Jörn.
    Dille verzog das Gesicht. »Jungs, es ist total wichtig, dass wir vernünftig ausgerüstet sind. Das ist kein Kindergeburtstag, zu dem wir hier fahren. Die Waffen und Zelte gibt’s da, aber die Vorräte, Messer, Kompass …«
    »Tja, Kompass«, unterbrach ihn Piet. »Da fängt es schon mal an. Ich meine, so ein Kompass zeigt mir, wo Norden ist. Das hab ich schon verstanden. Aber was hab ich davon? Ich meine, wenn ich mich verlaufe, dann suche ich so etwas wie ›die Hauptstraße oder ›die Kreuzung‹ oder ›den Gasthof, an dem wir vorhin vorbeigekommen sind‹, aber doch nicht ›Norden‹. Was weiß ich denn, was im Norden ist?«
    »Da, wo wir hinfahren, gibt es keine Hauptstraße«, sagte Dille. »Da gibt’s überhaupt keine Straßen. Da gibt es nur Wege. Wenn überhaupt.«
    »Ich hab jedenfalls eine Taschenlampe dabei«, begann Jörn seine Ausrüstung aufzuzählen, »eine dicke Jacke, ein zweites Paar Socken, falls wir durch einen Bach gehen oder so. Dann hab ich noch Pflaster, Aspirin, ein gutes Buch, Schokolade – die Leckere von Leysieffer. Ich hoffe, ihr mögt Vollmilch-Zimt? Die haben da neuerdings sogar Schokolade mit Pfeffer- und mit Chili-Geschmack. Verrückt, oder? Und …«
    »Jungs«, knurrte Dille. »Ich glaube, ihr habt eine völlig falsche Vorstellung von dem, was euch die nächsten drei Tage erwartet …«

    Als die Freunde mehrere Stunden später auf einen Parkplatz irgendwo im Niemandsland von Thüringen bogen, dämmerte Piet und Jörn, dass sie sich tatsächlich weit außerhalb ihres sonstigen Erfahrungshorizontes bewegten. Auf dem Parkplatz stand ein rundes Dutzend Autos, die man in Hamburg-Altona eher selten sah: Sieben davon waren Jeeps oder Land Rover, wie Dilles Leihwagen. Auf zweien prangten Scheibenaufkleber von Böhse Onkelz. Ein VW-Bus war auf der einen Seite mit dem Bild einer riesigen Südstaatenflagge dekoriert worden. Knapp zwanzig Männer wimmelten herum, fast die Hälfte davon mit Glatze oder Bürstenhaarschnitt. Sie waren wahlweise mit Bierbäuchen oder mit Muskelpaketen aufgepumpt. Fast alle trugen militärische Tarnanzüge, und nur wenige waren nicht tätowiert.
    »Das ist ja mal ein ganz anderes Publikum als beim modernen Tanztheater«, stellte Jörn nüchtern fest.
    »Ach, die sehen nur so wild aus«, sagte Dille mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Das sind ganz normale Typen.«
    »Ja, im Kosovo vielleicht«, sagte Piet.
    »Seid nicht so intolerant«, fand Dille und stieg aus dem Wagen.
    Jörn und Piet schauten einander an. Dann lachten sie.

    Als die Gruppen aufgeteilt wurden, fühlten sich Piet und Jörn wie die beklagenswerten Kinder, die im Sportunterricht immer als letzte ausgewählt werden. Zwar lief es hier erwachsener und nicht ganz so offen demütigend ab wie in schulischen

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