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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Aktiv-Comedy zu betrachten. »Ich brauche eine Backgroundstory. Um mich in die Situation einzufühlen. Klar?«
    »Okay«, sagte der Vierkantschädel mit den Tarnfarbenklamotten widerwillig. »Du bist Miguel, und ich bin Jean-Claude. Wie Van Damme. Alles klar?«
    »Glasklar«, nickte Jörn.
    »Und wir sind in Honduras und gehören einer Guerillatruppe an, die für die Rechte der unterdrückten Landbevölkerung kämpft. Und die drei hier …«, Armin wies auf die eigene und dann auf die anderen Puppen, die weiter vorn getragen wurden.
    »… heißen James, Dave und Tiffany und sind Undercoveragenten der CIA«, spann Jörn die Geschichte fort.
    »Ja, von mir aus«, sagte Armin. »Wir verlangen zwei Millionen Dollar Lösegeld, die Freilassung unserer inhaftierten Genossen …«
    »… und das offizielle Verbot aller Telenovelas. Denn mit Telenovelas versucht unsere Regierung, das Volk dumm zu halten«, schloss Jörn.
    »Wie auch immer. Wir sind jedenfalls die Guten«, knurrte Armin.
    »Heilig nahezu«, pflichtete Jörn ihm bei.
    Armin warf Jörn einen irritierten Blick zu, dann gingen sie schweigend weiter.
    »Und was passiert, wenn wir das Lager aufgebaut haben?«, fragte Jörn nach einer Weile. »Machen wir dann ein Lagerfeuer, rösten Marshmallows, jemand holt seine Gitarre raus, und wir singen alle ›Puff, the Magic Dragon‹?«
    »Oder wir foltern die Geiseln«, schlug Armin vor. »Ich finde, wenn man schon mal Geiseln hat, sollte man sie auch foltern.«

    Ein paar Stunden später schliefen die unversehrten Geiseln ruhig und friedlich in ihrem Zelt. Die Kriegsspieler waren nicht so sehr in ihrer Traumwelt gefangen, als dass sie tatsächlich Plastikpuppen mit Waterboarding und Elektroschocks quälten. Sie nahmen den realistischen Anspruch an ihre Militärsimulation aber doch so ernst, dass sie den drei Schaufensterpuppen tatsächlich ein eigenes Zelt aufgebaut und sie darin verstaut hatten.
    »Wenn das Angreifteam kommt, um die Geiseln zu befreien, müssen die Geiseln ja irgendwo sein, wo es Sinn macht«, erklärte Armin todernst, als Jörn sich über das Puppenzelt amüsierte. »Geiseln schlafen in Zelten. Das ist einfach realistisch.«
    Jörn nickte, und nur Piet sah, wie schwer es ihm fiel, ernst zu bleiben. Das alles hier war einfach total albern.
    Während James, Dave und Tiffany also in ihrem Privatzelt ihre Plastikträume träumten, wurde ein Lagerfeuer entzündet und eine stolze Menge von Bratwürsten, Koteletts und Bierflaschen hervorgezaubert.
    »Müssen wir nicht nüchtern sein, falls die Soldaten angreifen?«, fragte Piet unschuldig.
    »Die kommen erst morgen«, knurrte einer der Männer und nahm einen stolzen Schluck aus der Pulle.
    »Ja, das weiß ich«, antwortete Piet. »Aber in Wirklichkeit, also wenn wir echte Geiselnehmer wären, dann wüssten wir das ja nicht. Dann müssten wir jederzeit mit einem Angriff rechnen. Und es könnte uns doch das Leben kosten, wenn wir dann betrunken wären. Verminderte Reaktionszeit, mangelnde Zielgenauigkeit und so. Es ist nicht gerade realistisch, wenn wir jetzt vorsätzlich unsere Sinne trüben, während eine tödliche Gefahr womöglich direkt um die Ecke von uns lauert.«
    Der Mann schaute Piet an, als würde er ihn am liebsten erwürgen.
    Jörn verkniff sich ein Lachen, aber Dille war es sehr unangenehm, dass sich seine Freunde so offen über die ganze Aktion lustig machten. Dille lebte immer noch in der irrigen Annahme, er wäre ein Teil des kämpferischen Alphatier-Bundes und nicht eine der drei Knalltüten, die die anderen so gut wie möglich zu ignorieren versuchten.
    »Sei nicht albern«, knurrte Dille Piet daher an, und Piet beschloss, seine Frotzeleien erst einmal einzustellen. Es machte sowieso wenig Spaß, jemanden zu triezen, der zu tumb war, um auch nur eine ansatzweise gute Retourkutsche abfeuern zu können.
    »Wir sollten rund um das Lager herum Fallen aufstellen«, schlug Dille dem Männerbund vor.
    »Morgen«, brummelte einer der Kerle und drehte Dille demonstrativ den Rücken zu.
    »Könnt ihr mal ein bisschen Platz auf dem Rost machen?«, fragte Jörn. »Ich würde auch gern mein Essen auf den Grill legen.«
    »Nimm dir doch erst mal von dem Scheiß, der da ist, und dann grillen wir deins«, sagte Armin.
    »Ich bin Vegetarier«, lächelte Jörn und wedelte mit einer Packung Kräutertofu, die er im Reformhaus gekauft hatte.
    Der fassungslose Blick, den ihm die pseudolateinamerikanischen Guerillakämpfer zuwarfen, war Gold wert. Allerdings machte

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