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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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konnte auch alles andere als sanft sein. Er war nicht grob oder gar brutal, aber der freundliche, warmherzige Jörn entpuppte sich zu Petras Überraschung als dominanter, kraftvoller Liebhaber, der ihren ganzen Körper in Beschlag nahm, erkundete und eroberte. Einzig ihre Brüste interessierten ihn herzlich wenig. Wenn er ihren Busen tatsächlich mal mehr als flüchtig berührte, spürte Petra, dass er sich dazu irgendwie verpflichtet fühlte. Ihm aber gaben sie nichts. Das gefiel Petra irgendwie. Dille hingegen war ein ausgesprochener Busenmensch. Er pflegte ihre Brüste beim Sex so ausgiebig und gierig zu knutschen und zu kneten, als fürchtete er, man würde sie ihm morgen wegnehmen. Jörn jedoch war nicht auf einen Bereich von ihr fixiert. Sie war ein Ganzes für ihn, und als solches liebte er sie.
    Ja, er liebte sie. Und darüber war er ebenso erstaunt wie Petra. Seit er ein Teenager war, hatte er keinen Sex mehr mit einer Frau gehabt. Er mochte Frauen, er fand sie oft schön, bemerkenswert, sinnlich – aber nie hatte solch eine Anziehung ausgereicht, dass er wirkliche Lust verspürt hätte. Oder gar Liebe. Doch nun war da Petra. Und es war nicht einfach nur die Flucht in die Arme eines anderen Menschen, der in seiner Beziehung allein gelassen worden war. Es war mehr. Ja, es war Liebe. Und die fällt bekanntlich hin, wo immer sie hinfallen will.
    Jörn war sich seiner Sache sicher. Er war sich seiner Liebe sicher. Und er wollte Nägel mit Köpfen machen. Er wollte es Sven erzählen, wollte sich trennen. Jörn vermutete, dass Sven es mit Fassung tragen würde. Womöglich wäre er sogar erleichtert, Jörn endlich los zu sein. Doch Jörn konnte mit Sven keinen reinen Tisch machen, bevor Petra nicht mit Dille sprach. So weit war sie aber noch nicht. Sie empfand immer noch Zuneigung und Vertrautheit und Loyalität gegenüber Dille. Außerdem waren da Kinder. Genau wie bei Jörn und Sven. Was würde aus Peggy, wenn sie sich trennten? Jörn hatte sich schlaugemacht: Er könnte auch als alleinerziehender Pflegevater fungieren. Allerdings nur, wenn er nicht arbeitete. Er musste genug Zeit für das Kind haben. Sven würde ihn auch nach der Trennung noch finanziell unterstützen müssen. Ein Gedanke, der Jörn überhaupt nicht gefiel.
    Petra schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher ein, der am Fußende des Bettes stand. Das machte sie immer. Hinterher, irgendwann. Und Jörn, der das erst blöd gefunden hatte, hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Erst drang nur Jubel aus den Lautsprechern, dann sah man Bilder vom Markusplatz im Rom. Joseph Kardinal Ratzinger war gerade zum neuen Papst gewählt worden.
    »Eine Reformation der katholischen Kirche steht wohl nicht ins Haus«, sagte der Kommentator. »Als Kardinal bezog der neue Papst immer deutlich Stellung gegen jede zeitgemäße Strömung. Er ist radikaler Abtreibungsgegner, verdammt Kondome und Frauen im Priesteramt und rief Homosexuelle mehrfach dazu auf, ihr vermeintlich sündiges Treiben zu unterlassen.«
    Jörn lachte spöttisch: »Verdammt. Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal einem Papst recht mache!«
    Petra zog die Decke über den Kopf und kroch an Jörn herunter.
    »Was sagt der Papst denn zu Oralverkehr?«, fragte sie.
    »Och, da weiß er nur das, was die Messdiener so erzählen«, lachte Jörn und schloss glücklich seufzend die Augen.
    * * *
    Dille keuchte. Vor einer Weile war er an einem Stand vorbeigekommen, an dem man ihm einen Wasserbecher gereicht hatte. Das war die Zehn-Kilometer-Marke gewesen. Noch knapp zwölf Kilometer also. Das war machbar! Er fühlte sich zwar erschöpft, aber noch nicht mal annähernd so kaputt, dass er an Kapitulation dachte. Er würde diesen Lauf durchziehen. Dilles erste große Bewährungsprobe als Läufer war der »Potsdamer Schlössermarathon«. 21,097 Kilometer durch Parks und Gärten, ein Stückchen durch Berlin, an der Havel und am Jungfernsee entlang. Es war, wie seine Sportkumpel ihm erklärt hatten, ein landschaftlich sehr schöner und aufgrund chronisch geringer Teilnehmerzahlen auch sehr idyllischer Lauf. »Da stehste nicht so unter Druck«, hatte Fred gesagt. »Da haste nicht überall Zuschauer an der Strecke, das ist mehr so was wie ein meditatives Erlebnis.«
    Dille hätte ehrlich gesagt gern ein paar Leute am Straßenrand gehabt, die ihm zujubelten. Das war doch ein Ansporn. Und sehr cool. Zuschauer gab es tatsächlich nur an bestimmten Knotenpunkten. Über weite Strecken lief Dille von der Welt unbeachtet

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