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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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sich das Tuch vom Hals. Darunter prangte ein roter Striemen, der sich wie ein Ring in seine Haut eingegraben hatte.
    »Schau genau hin, das hier ist der Anfang meines neuen Lebens«, zischte Gessner. »Eigentlich muss ich dir für damals danken. Karl Gessner ist viel reicher, mächtiger und böser, als es Philipp Lettner jemals hätte werden können. Vom räudigen Söldner zum angesehenen Floßmeister! Ich habe es weit gebracht, Jakob.«
    Bedrohlich langsam kam der Floßmeister auf Kuisl zu. Mit einem Mal nahm der Henker die Gegend um ihn herum nur noch verschwommen wahr. Kuisl fluchte leise, als er merkte, wie er zu schwanken begann. Das Fieber kam zurück, nicht sehr stark, doch es reichte, um ihm in der brütenden Hitze kalte Schweißperlen auf die Stirn zu treiben.
    »Du hast deine Sache damals schlecht gemacht, Henker«, flüsterte Philipp Lettner. »Hättest noch ein Weilchen warten müssen, bis unsere Leiber am Baum aufgehört hätten zu zappeln. Aber du wolltest ja gleich mit deinem Liebchen auf und davon. Für Karl war es zu spät, für mich nicht. Ich hab noch geatmet und konnte gerettet werden.«
    Von einem Augenblick auf den anderen hatte Jakob Kuisl das Gefühl, dass es kälter wurde.
    Kalt wie damals …
    Die windschiefen Hütten schienen wieder vor ihm aufzuerstehen. In der Mitte lag der hartgetretene Dorfplatz mit dem Ziehbrunnen. Das Feuer auf den Dächern. Das Prasseln der Flammen, das Schreien der Kinder und Frauen.
    Und in der Mitte er, Philipp Lettner, sein Stellvertreter. Der Blutsäufer. Der Fluch seines Lebens.
    Allesbegann sich um ihn zu drehen. Kuisl schloss die Augen, und die Bilder prasselten wie dicke Gewittertropfen auf ihn ein.
    Die Schreie …
    So lange her. Ein halbes Leben. Es ist ein kalter Novembertag, irgendwo in der Nähe von Regensburg, die Luft kühl und frisch, einzelne Schneeflocken, die zwischen den Bäumen wie kleine Sterne schimmern. Ein guter Tag zum Jagen, ein guter Tag gegen die zermürbende Langeweile eines Söldnerlebens zwischen den Schlachten. Neue Truppen sind angeworben, junge ängstliche Bauernburschen, die mit den alten Haudegen Richtung Lothringen ziehen. Frisches Blut, mit dem schon bald wieder die Äcker gesprengt werden. So viele von ihnen hat Jakob schon sterben sehen. Am Ende rufen sie immer nach ihrer Mutter.
    Auch jetzt, an diesem Novembertag, sind wieder viele picklige, heißblütige Knaben um ihn herum, auch ein paar der alten vernarbten Veteranen, auf die er sich verlassen kann. Er hat ihnen allen eine Sauhatz versprochen. So wie früher, als noch kein Krieg war. Für die meisten der jungen Söldner gibt es diese Zeit nur in den Geschichten am Lagerfeuer.
    Die Schreie kommen von weit her. Zuerst klingen sie wie das Zwitschern zorniger Vögel, erst als Jakob mit seinen Leuten näher kommt, hört er das Weinen und Klagen der Menschen. Er wischt die Zweige zur Seite und starrt auf ein brennendes Dorf. Der rote Hahn frisst sich durch die Dächer, beißender Rauch in der Luft, verkrümmte Leiber liegen in ihrem Blut. In der Mitte des Dorfplatzes kauern die Weiber, alte, junge, hübsche, hässliche; sie tragen dünne Hemden und zittern und schreien und weinen. Um ein flackerndes Feuer, über dem fünf Hühner braten, sitzen ein paar Männer und lachen.
    Es sind Jakobs Männer.
    Sie würfeln. Immer wieder ertönen Jubelrufe, dann packt einer der Söldner eine Frau bei den Haaren und verschwindet mit ihr hinter den brennenden Häusern. Ein langer Schrei, ein Wimmern, dann herrscht Ruhe.
    Die nächste Runde beginnt. Neues Spiel, neues Glück.
    Kurz darauf steht ein großgewachsener schwarzhaariger Mann auf und lacht schrill, den Würfelbecher triumphierend emporgereckt. Er zieht ein Mädchen zu sich herüber und greift ihr an die Brüste. Es ist der Doppelsöldner Philipp Lettner, Jakobs Stellvertreter. Jakob weiß sofort, dass Lettner der Anführer der Bande ist. Seit Jahren säuft er Blut, viel zu oft hat er ihn gewähren lassen.
    Jakobs Blick wandert über die Jünglinge an seiner Seite, die entsetzt auf das Blutbad schauen. Das ist der Krieg, jetzt sind sie mittendrin. Noch weinen und kotzen sie, doch schon bald werden sie selbst die Dörfer plündern und die Weiber schänden. Woher sollen sie wissen, was richtig und was falsch ist? Wer soll es ihnen zeigen?
    Jakob schließt kurz die Augen, dann gibt er den Männern an seiner Seite das Zeichen zum Angriff. Schreiend brechen sie aus dem Wald. Ein kurzes Handgemenge, Schimpfen, Fluchen, dann steht die

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