Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
plötzlich.
Silvio Contarini hielt inne und sah sein Opfer fast mitleidig an. »Du lügst. Nur ein billiger Taschenspielertrick, um dein jämmerliches Leben ein wenig zu verlängern.«
Hektisch schüttelte Simon den Kopf. Es war seine letzte Chance. Wenn der Venezianer ihn jetzt durchschaute, würdeer ihn wie Schlachtvieh aufschlitzen und danach Magdalena zwingen, das Mutterkorn zu essen.
»Was glaubt Ihr denn, warum ich so genau von Eurem Plan weiß?« Simon versuchte, so selbstsicher wie möglich zu klingen, seine Stimme ratterte dahin wie ein gut geöltes Uhrwerk. »Euer jähzorniger Spießgeselle ist letzte Nacht in den Bischofshof eingedrungen. Er hat den Braumeister umgebracht und ist von den Wachen geschnappt worden. Auf der Streckbank hat er alles gestanden! Ich hab an der Tür gelauscht und bin den anderen vorausgeeilt, weil ich um das Leben Magdalenas fürchtete.« Er grinste den Gesandten breit an. »Schon in einer Stunde stehen hier die Wachen der Stadt, und dann, bei Gott, geht Euer ganzer schöner Plan in Rauch auf!«
Das war so dreist gelogen, dass Simon selbst nicht daran glaubte, damit durchzukommen. Doch der Venezianer zögerte tatsächlich.
»Selbst wenn es so wäre«, sagte Silvio schließlich. »Warum sollte ich dich am Leben lassen?«
»Ich kann die Wachen ablenken!«, sprudelte es aus Simon hervor. »Ich gehe zum Rathaus und sage ihnen, Ihr wärt mit dem Mutterkorn schon längst über alle Berge! Ihr behaltet Magdalena als Geisel. Wenn die Sache klappt, lasst Ihr sie frei.«
Simon war sich darüber im Klaren, dass der Venezianer sie nie beide ziehen lassen würde. Aber vielleicht konnte er so ein bisschen Zeit schinden, bis ihm etwas Besseres einfiel. Wenigstens steckte Silvio nun den Degen zurück in die Scheide, er schien tatsächlich zu überlegen.
»Sie haben ihn also geschnappt …« Silvio wiegte den Kopf hin und her, offenbar war er immer noch unschlüssig. Mehr zu sich selbst sprach er schließlich weiter. »Das ist immerhin möglich. Im Grunde hab ich es immer geahnt. SeinHass ist so groß, ich wusste, dass er ihm einmal zum Verhängnis wird.« Er trat gegen einen Getreidesack. » Porca Miseria! Ich hätte mich nie auf diese Geschichte mit dem Henker einlassen sollen. Ein Hieb in einer dunklen Gasse, und der Bader wäre erledigt gewesen! Aber er musste ja seine Rache haben. Und jetzt geht alles den Bach runter!«
Der Gesandte stand auf und ging schweigend zwischen den Säcken hin und her. Mit einem Mal wandte er sich an Magdalena und blickte sie nachdenklich an. Seine Stimme war gedämpft, leise Angst klang daraus hervor.
»Bei allen Heiligen, dieser Karl Gessner ist wirklich ein Teufel. Manchmal wünsche ich, dein Vater hätte ihn damals, vor fast dreißig Jahren, zur Hölle geschickt.«
Oben im Weidenfelder Kirchturm saß der Floßmeister Karl Gessner und blickte spöttisch auf die beiden Henker hinab. Seine rabenschwarzen Haare waren zu einem Zopf nach hinten gebunden, er trug die bunten, weiten Kleider eines Landsers und darüber einen gepolsterten Waffenrock, der alt und zerschlissen wirkte. Hinter seiner Schulter ragte der Knauf eines schimmernden Kurzschwerts hervor, das mit der Scheide auf dem Rücken festgeschnallt war. Nur noch das rote Halstuch erinnerte an den Mann, der auf der Regensburger Floßlände für die tägliche Verschiffung der Waren verantwortlich war. Der allseits beliebte Flößer Gessner hatte sich über Nacht in einen tödlichen Krieger verwandelt, der direkt aus der Vergangenheit zu kommen schien.
Er ist tot , dachte Jakob Kuisl. Ich selbst habe ihn damals umgebracht. Das hier muss ein Geist sein …
Karl Gessners schrilles Lachen war mittlerweile verklungen, er wischte sich die Augen wie nach einem köstlichen Scherz.
»Jakob,Jakob«, sagte er wie zu einem alten Freund. »Wer hätte gedacht, dass wir zwei uns in diesem Kaff noch einmal wiedersehen! Nur schade, dass du nicht alleine gekommen bist. Ich glaube, den Regensburger Scharfrichter werden unsere alten Geschichten nur langweilen.«
Er deutete auf Philipp Teuber, der mit gezogenem Messer neben Kuisl stand und grimmig nach oben starrte. »Bist wohl feig geworden auf deine alten Tage«, fuhr Gessner fort. »Nun, wir werden alle älter und schwächer.«
»Sei dir gewiss, das hier geht nur uns zwei was an«, knurrte Jakob Kuisl. »Ich hab dich einmal in die Hölle gestoßen. Ich werd es auch ein zweites Mal tun.«
Karl Gessner schloss die Augen, als würde er träumen. »Weißt du, was
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