Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
sorgen, dass sich die Wunde nicht entzündete.
    Es dauerte einige Zeit, bis der Henker gefunden hatte, was er suchte.
    Im Schatten einer Eiche wuchs ein unscheinbares Kräutlein, das er sorgsam abzupfte. Das Hirtentäschel galt als wahres Wundermittel und gehörte seit Urzeiten zur Kräuterapotheke jeder Scharfrichterfamilie. Die Pflanze mit ihren kleinen taschenförmigen Schoten half bei Fieber, Gicht und ausbleibenden Wehen, vor allem aber bei schlecht heilenden, stark blutenden Wunden. Als Jakob Kuisl genug gesammelt hatte, begann er Moos und Rinde von den umliegenden Bäumen zu reißen. Gemeinsam mit einigen anderen Pflanzen steckte er alles in sein offenes Hemd und rannte zurück in die Kirche, wo Philipp Teuber noch immer reglos am Boden lag. Kuisl beugte sich über ihn und stellte erleichtert fest, dass er noch atmete.
    »Ich werd jetzt den Bolzen rausziehen«, flüsterte er ihm direkt ins Ohr. »Beiß also die Zähne zusammen und heul nicht wie ein Waschweib. Bist du bereit?«
    Fast unmerklich nickte Teuber. »Dass ich mich noch mal von einem Quacksalber wie dir behandeln lassen muss …«
    Kuisl grinste. »Das ist die Rache für deine stinkende Wundsalbe.« Sein Gesicht wurde plötzlich wieder ernst. »Ichkann die Blutung nur ein wenig stillen. Für alles Weitere müssen wir nach Regensburg.«
    »Aber … Sie werden dich wieder einsperren … die Fragstatt …«, stammelte Teuber, offenbar schon in Fieberträumen.
    »Mach dir um mich keine Sorgen. Wichtig ist jetzt vor allem, dass du wieder gesund wirst.«
    Der Schongauer Henker riss den Bolzen heraus und drückte Moos und Schafgarbe auf die sprudelnde Wunde. Seine Lippen formten ein lautloses Gebet.
    »Es sind vier«, flüsterte Simon und deutete auf die Flößer, die gelangweilt zwischen den hüfthohen Roggenähren kauerten und an Weidenstöcken schnitzten. »Glaubst du, ihr werdet mit denen fertig?«
    Abschätzig blickte Nathan auf die stämmigen, bereits angetrunkenen Männer. »Mit denen? Wie du weißt, kämpfen wir dreckig und gemein. Die werden denken, ihnen fällt der Himmel auf den Kopf.«
    »Gut.« Simon nickte. »Vermutlich ist Magdalena mit Silvio und dem fünften Flößer bereits unten. Ich schlage vor, dass ihr auf Kommando die Männer hier oben angreift. Der alte Hans, Bruder Paulus und ich stürmen in der Zwischenzeit in die Brunnstube und kümmern uns um den Rest. Alles klar?«
    Nathan grinste mit seinen schiefen Goldzähnen. »Ein genialer Plan. Könnte von mir sein. Keine Tricks, keine Finessen, einfach nur reinpoltern, laut schreien und draufhauen.«
    »Trottel!«, zischte Simon. »Fällt dir vielleicht auf die Schnelle was Besseres ein?«
    »Nur die Ruhe, das wird schon klappen.« Der Bettlerkönig klopfte dem Medicus beruhigend auf die Schultern, dannverteilte er seine Männer flüsternd über das Gelände.
    Schon während ihres Fußmarschs, bei dem sie zunächst der breiten Landstraße und dann einem kleineren Weg durch ein Kornfeld gefolgt waren, hatten sich die Bettler mit Knüppeln und langen Stöcken bewaffnet. Nun sammelten sie auf den umliegenden Feldern zusätzlich Kiesel und schwere Ackersteine ein. Verborgen hinter Ähren, Ginster und rotem Mohn näherten sie sich so den wartenden Flößern, die sich mit Trinken, Reden und Schnitzen die Zeit vertrieben.
    Auf Nathans Zeichen hin zog der Lahme Hannes unter seinem löchrigen Hemd einen Lederriemen hervor, der in der Mitte zu einer löffelartigen Mulde verbreitert war. Er legte einen flachen Kiesel hinein, schwang die Schleuder ein paar Mal im Kreis und ließ den Stein schließlich in Richtung der Flößer fliegen.
    Der Kiesel sauste wie ein Pfeil durch die Luft, traf einen der Männer direkt an der Stirn und ließ ihn lautlos zusammenbrechen. Nur Augenblicke später prasselten weitere Steine auf die Flößer ein. Schreiend rannten die Bettler los und droschen mit Knüppeln, Ästen und Stöcken auf ihre verdutzten Gegner ein. Währenddessen schleuderte der Lahme Hannes mit seinem Lederriemen immer neue Steine gezielt auf die Flößer.
    »Jetzt!« Simon lief auf die Treppe zu, dicht gefolgt von Hans Reiser und Bruder Paulus. Der Medicus stolperte die Stufen nach unten, bis er an der schweren, spitzbogigen Eisentür ankam. Nach Atem ringend warf er sich dagegen, nur um festzustellen, dass die Tür angelehnt war und sich sehr plötzlich nach innen öffnete. Er taumelte in einen dunklen, von Fackeln erleuchteten Raum, dessen rückwärtiger Teil von einem rauschenden Wasserbecken

Weitere Kostenlose Bücher