Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
ausgefülltwar. Dahinter war ein kleiner Torbogen zu erkennen, aus dem ein schwacher Lichtschein drang. Simon hörte Keuchen und die gedämpften, hohen Schreie einer Frau. Sie klangen, als hätte sie die Grenze zum Wahnsinn bereits überschritten.
Es war die Stimme von Magdalena.
Als sich der Becher mit dem aufgelösten Mutterkorn ihrem Mund immer weiter genähert hatte, war die Henkerstochter zunächst starr vor Angst gewesen, sämtliche Gliedmaßen schienen wie gelähmt. Doch von einer Sekunde auf die andere waren ihre Lebensgeister zurückgekehrt, und sie hatte beschlossen, sich nicht kampflos in ihr Schicksal zu ergeben. Noch immer stand sie mit Silvio in dem langgestreckten, überfluteten Korridor, der Flößer Jeremias hielt ihren Kopf von hinten fest umklammert. Magdalena ließ sich zusammensacken, so als würde sie aufgeben.
»Na also«, sagte Silvio. »Warum nicht glei…«
Ganz plötzlich holte sie mit dem rechten Knie aus und trat Silvio mit voller Wucht ins Gemächt. Stöhnend klappte der Venezianer wie ein Taschenmesser zusammen, während der Zinnbecher zu Boden fiel und im sprudelnden Wasser versank. Als der stämmige Flößer seinen Anführer nun zur Seite kippen sah, war er einen Moment lang irritiert, und der Griff lockerte sich ein wenig. Magdalena nutzte die kurze Verzögerung und wand sich wie ein Aal aus Jeremias’ Armen. Ohne sich noch einmal nach ihren Gegnern umzusehen, rannte sie auf den Ausgang zu, doch das Wasser stand ihr fast bis zu den Knien, so dass sie in ihrem Lauf gebremst wurde und der Länge nach ins Becken stürzte.
»Halt sie auf, du Trottel!«, schrie Silvio dem verdutzten Jeremiaszu. »Verfluchtes Flittchen! Dafür stopf ich ihr das Maul mit Mutterkorn, bis es aus sämtlichen Körperöffnungen quillt!«
Der Venezianer krümmte sich auf dem Sims an der Wand, die Beine im Wasser, den Oberkörper nach vorne gebeugt. Magdalenas Tritt schien ihm immer noch starke Schmerzen zu bereiten, die Schminke lief dem sonst so gepflegten Gesandten in schwarzen und milchig weißen Rinnsalen übers Gesicht, das Haar seiner Perücke war nass und hatte im dämmrigen Licht der Fackeln die Farbe fauligen Tangs angenommen. Unwillkürlich musste Magdalena an die Statue des schönen Jünglings im Haus Heuport denken, aus dessen Rücken Ratten, Schlangen und Kröten gekrochen waren.
Nur eine Maske und dahinter Dreck , fuhr es ihr durch den Kopf. Und ich dummes Flitscherl wär fast darauf reingefallen!
Gerade hatte sie sich aufgerichtet und wollte durch den schmalen Durchgang in den Vorraum schlüpfen, als eine Hand sie von hinten an der Schulter packte. Es war Jeremias, der sie unerbittlich zurück in das dunkle Gewölbe zog. Auch Silvio hatte sich mittlerweile wieder vom Sims erhoben, mit dem klitschnassen Hemdsärmel wischte er sich den Rotz von der Nase, dann griff er in einen Sack mit Mehl.
»Keiner soll sagen können, ich hätte dich nicht zuvorkommend behandelt«, keuchte er. »Aber du störrisches Weib lässt einem ja keine andere Wahl. Warum kannst du nicht einfach einsehen, dass du einer großen Sache dienst? Dein winziges Leben wird die Geschichte dieses Reichs für immer verändern! Keine verstaubte Kleinstaaterei mehr, mit Zollschranken und herrschenden Kleingeistern – am Ende des Wegs steht ein einziger Staat, der vom SchwarzenMeer bis an den Rhein reicht! Wenn der Großwesir erst einmal Wien eingenommen hat, wird es kein Halten mehr geben. Die, die ihm den Weg ebneten, werden fürstlich belohnt werden. Sei doch nicht so gottverdammt stur und beuge dich einer großen Idee!«
»Wenn dir die Sache so wichtig ist, dann friss dein Gift doch selber!«, schrie Magdalena, während Jeremias sie weiter an der Schulter gepackt hielt und auf die Mehlsäcke zuschob. Noch immer war sie an den Händen gefesselt, auch wenn sie spürte, dass das Seil sich im Wasser ein wenig gelockert hatte.
Silvio lächelte. Mit der verschmierten Schminke und den nassen, strähnigen Haaren sah er aus wie eine böse, verzauberte Unke. »Ein hübscher Gedanke«, sagte er. »Leider hat der Großwesir mit mir gewisse Pläne, die meinen Verstand dringend erforderlich machen. Und wer weiß? Vielleicht winkt auf der anderen Seite des Wahnsinns ja das ewige Glück. Wart ab, du wirst mir noch dankbar sein dafür, dass du diese reine Substanz probieren durftest. Und jetzt mach verflucht noch mal dein Maul auf!!! «
Die letzten Worte hatte Silvio wie ein Berserker gebrüllt, so dass das Echo der einzelnen Silben
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