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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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der Vater sprach nicht über seine Zeit als Söldner. Magdalena konnte sich dunkel erinnern, dass ihre Mutter früher oft geweint hatte; sie sah ihren Vater vor sich, wie er die Mama in den Armen wiegte und tröstete. Doch die Erinnerung war verschwommen. In den Erzählungen ihrer Eltern war es, als hätte ihr Leben erst mit Magdalenas Geburt begonnen. Davor schien ein schwarzes Loch zu sein.
    Anna-Maria Kuisl wandte sich ab und blickte durch das Fenster hinaus auf den Lech. Plötzlich sah sie aus wie eine alte Frau.
    »Es ist viel passiert, seitdem ich ein Kind war«, sagte sie. »Vieles, an das ich nicht erinnert werden möchte.«
    »Aber warum?«
    »Lass gut sein, Kind. Es mag der Tag kommen, an dem ich dir mehr erzähle. Aber nicht heute. Lass den Vater erst einmal aus Regensburg zurückkommen. Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sach.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab von ihm geträumt, erst letzte Nacht. Kein schöner Traum. So viel Blut …«
    Anna-Maria Kuisl brach ab und lachte. Aber es war ein gequältes Lachen.
    »Ich werd schon so narrisch wie ein altes Weib«, sagte sie schließlich. »Das muss an diesem vermaledeiten Regensburg liegen. Glaub mir, auf der Gegend dort liegt ein Fluch. Ein gottverdammter Fluch …«
    »Ein Fluch?« Magdalena runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
    Ihre Mutter seufzte. »Als Kind war ich oft in Regensburg. Mit deiner Großmutter bin ich auf die Märkte gegangen,wir wohnten nicht weit von der Stadt. Immer wenn wir am Rathaus vorbeigekommen sind, hat die Mama gesagt, dass die hohen Herren dort drin die Kriege schmieden.« Sie schloss kurz die Augen, bevor sie leise weitersprach. »Egal, ob gegen die Türken oder die Schweden, immer sind’s wir kleinen Leut, die als Amboss herhalten müssen. Dass der Vater auch ausgerechnet nach Regensburg muss!«
    »Aber der Krieg ist lang vorbei«, warf Magdalena lachend ein. »Du siehst Gespenster!«
    »Der Krieg mag vorbei sein, doch die Narben bleiben.«
    Magdalena kam nicht mehr dazu, ihre Mutter zu fragen, was sie mit diesem Satz gemeint hatte. Denn in diesem Augenblick waren draußen vor dem Haus tapsende Schritte und Gewisper zu hören.
    Und gleich darauf brach das Chaos aus.
    Simon wusch sich über dem kleinen Zuber der Arztstube das schweißverklebte Gesicht, knöpfte Rock und Mantel zu und trat vorsichtig nach draußen.
    Den ganzen Tag über hatte der junge Medicus sich um schwindsüchtige Bauern, fiebernde Kinder und furunkelübersäte alte Weiber gekümmert. Jetzt, da der Henker seit über einer Woche weg war, besuchten so viele Kranke wie sonst nie zuvor das Fronwieserhaus in der Hennengasse. Hinzu kam, dass Simons Vater sich mit einem üblen Kater in die obere Kammer zurückgezogen hatte und im Grunde selber eine Behandlung benötigte. Simon hatte alle Hände voll zu tun. Erst jetzt nach Sonnenuntergang fand er die Zeit, Magdalena unten im Gerberviertel besuchen zu gehen. Er musste sie sehen, allein schon, um mit ihr über die Drohungen Michael Berchtholdts zu reden. Gestern noch hätte er Magdalena zugestimmt, dass sie den Bäckermeisterbei der Stadt anklagen mussten. Doch über den Tag waren ihm Zweifel gekommen, ob das wirklich so vernünftig war. Berchtholdt saß immerhin im Äußeren Rat der Stadt, seine Stimme hatte Gewicht. Ganz im Gegensatz zu Simon und vor allem Magdalena, der Tochter des ehrlosen Schongauer Henkers.
    Draußen war es mittlerweile Nacht geworden. Mit der Laterne in der Hand schlich der Medicus durch die stockfinsteren Gassen Schongaus. An jeder Ecke verharrte er und horchte auf Schritte, die den Nachtwächter ankündigten. Erst wenn völlige Stille herrschte, eilte er weiter, immer auf der Hut vor neugierigen Anwohnern, die ihn vom Fenster aus beobachten konnten. Nach Einbruch der Dunkelheit durfte in Schongau keiner mehr auf der Straße sein. Wer von den Bütteln erwischt wurde, zahlte einen ordentlichen Batzen Geld. Simon hatte durch nächtliche Saufereien und seine ständigen Besuche bei Magdalena schon etliche Gulden verloren. Wenn man ihn noch einmal erwischte, drohten ihm vermutlich der Pranger oder die Schandmaske. Den Medicus schauderte beim Gedanken, von keinem anderen als Magdalenas Vater höchstpersönlich mit Ruten ausgepeitscht zu werden – zum Gespött der gesamten Stadt.
    Unten am Lechtor sah er plötzlich ein Licht aufflackern. Schnell deckte Simon die Laterne mit seinem Mantel ab, um sich nicht zu verraten. Schon kurz darauf stellte er erleichtert fest, dass das Licht vom

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