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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Furunkeln. »Unsere Magd hast du auf dem Gewissen, sagt der Vater! Ein Mittel hast ihr gegeben, das sie zur Hex hat werden lassen. Und dann ist sie verreckt! Verruchte Giftmischerin!«
    Ein Zorn überkam Magdalena, wie sie ihn selten zuvor gespürt hatte. Sie rannte hinaus auf die Straße, direkt auf die Burschen zu und trat dem jungen Berchtholdt mit voller Wucht ins Gemächt. Peter Berchtholdt klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Mit hochrotem Kopf lag er ächzendam Boden, unfähig, etwas zu sagen, geschweige denn sich zu wehren. Alles war so schnell gegangen, dass keiner der anderen Jungen hatte eingreifen können. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Magdalena nun über dem Sohn des Bäckermeisters.
    »Ich werd euch sagen, wer der Giftmischer ist«, zischte die Henkerstochter und wandte ihr wutentbranntes Gesicht den anderen beiden Berchtholdts zu, die unschlüssig ein wenig abseits standen. »Euer Vater selbst hat der Resl das Gift gegeben, weil sie von ihm schwanger war. Und jetzt will er’s mir in die Schuhe schieben. Ob ihr’s glaubt oder nicht, euer Vater ist ein dreckiger Lügner und Mörder! Und jetzt schleicht’s euch, alle miteinander! Oder ich kratz euch das Gesicht auf, bevor ihr Halleluja sagen könnt.«
    Sie hob die rechte Hand und zeigte ihre langen schmutzigen Fingernägel. Noch immer lag Peter Berchtholdt vor ihr auf dem Boden. Der Junge stutzte, für einen kurzen Moment sah Magdalena in seinen Augen so etwas wie Zweifel aufleuchten. Doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er rappelte sich auf und stolperte zurück zu seinen Brüdern.
    »Es wird dir noch leidtun, was du über unseren Vater gesagt hast«, zischte der älteste der Berchtholdts. »Ich erzähl’s ihm, und dann wird er dafür sorgen, dass der Kuisl seine eigene Tochter durchs Dorf treiben und an den Pranger stellen muss.«
    Er spuckte aus und machte mit den Fingern der rechten Hand ein Schutzzeichen. Als die Burschen sich zum Gehen wandten, rief ihnen Magdalena noch einmal hinterher.
    »Wischt euch erst mal den Arsch ab, ihr Hosenscheißer! Ihr Berchtholdts seid’s doch allesamt nichts weiter als feige Haderlumpen!«
    Sieblickte nach oben, wo bereits die Fensterläden offenstanden und ein Dutzend Augenpaare auf die Streitenden herabstarrten. »Und ihr da seid’s um keinen Deut besser! Um keinen Deut! Zum Henker mit euch allen!«
    Fluchend stapfte sie wieder zurück ins Haus der Hebamme, wo Martha Stechlin mittlerweile am Stubentisch saß und ihr verbranntes Gesicht mit einem feuchten Lappen kühlte. Erleichtert erkannte Magdalena, dass außer ein paar roten Flecken auf der Haut wohl schon bald nichts mehr zu sehen sein würde. Die Augen der Hebamme waren verschont geblieben. Doch die Scherben und die grüne Lache auf dem Boden zeugten immer noch von den Steinwürfen, die mehr als nur einen Glaskolben und ein paar Phiolen zerstört hatten. Magdalena hatte das Gefühl, als hätte einer der Steine sie direkt ins Herz getroffen.
    Erst jetzt brach es aus ihr heraus. Sie lehnte sich an die Hebamme und weinte, während die Trauer und der Schmerz in immer neuen Wellen durch ihren Körper fluteten. Martha Stechlin murmelte beruhigend auf sie ein, eine ganze Weile lang streichelte sie die Jüngere wie ein kleines Kind. Irgendwann flüsterte die Hebamme: »Sie werden uns immer ausstoßen. Es ist wie ein Naturgesetz, wie Wachsen, Blühen und Verwesen. Versuch damit zu leben.«
    Magdalena fuhr hoch. Die Augen rot und verheult, doch mit einem unbändigen Willen im Blick. »Scheiß auf die Gesetze«, flüsterte sie. »Ich werd damit nicht leben, niemals. Ich mach, was mir passt! Jetzt erst recht!«
    Martha Stechlin rückte ein wenig zur Seite und musterte Magdalena verstohlen. Kein Zweifel, das Mädchen neben ihr war wirklich die Tochter des Schongauer Henkers.
    Einpaar Stunden später hatte sich Magdalenas Zorn ein wenig gelegt. Gemeinsam mit ihrer Mutter war sie damit beschäftigt, die Zwillinge ins Bett zu bringen. Eine Aufgabe, die sie jedes Mal so in Anspruch nahm, dass für düstere Gedanken gar keine Zeit blieb.
    »Eine kleine Geschichte noch, Magda«, bettelte die kleine Barbara. »Nur noch eine! Die von der Königin und dem Haus im Wald! Die hast du schon so lang nicht mehr erzählt!«
    Magdalena lachte und trug ihre neunjährige Schwester die schmale Stiege hinauf in die Schlafkammer des Schongauer Henkershauses. Ihr Rücken schmerzte unter der zappelnden Last, schon bald würde sie Barbara nicht mehr hochheben

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