Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
eine Spur weißer.
O Magdalena, das verzeih ich dir nie …
»Lasst es ihn doch wenigstens versuchen!«, meldete sich einer der Zuschauer. »Könnte doch sein, dass er wirklich ein Medicus ist. Sonst könnt ihr ihn ja immer noch mit Ruten aushauen.«
Nach kurzem Überlegen nickte der Soldat. »Na gut, es ist Sonntag, und die Leut wollen was zum Gaffen. Also, Doktorchen, zeig mal, was du kannst.«
Plötzlich schien dem anderen Büttel etwas einzufallen. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht, während er jemand herrisch zu sich herwinkte. »Was für ein Glücksfall! Ich hab auch schon einen Patienten für dich.«
Magdalena rannte geduckt durch das nur angelehnte Tor und betrat ein niedriges, aber sehr geräumiges Gewölbe, dessen Decke von Ruß und Dreck schwarz wie die Nacht war. Einige Kanonen rosteten in der Ecke, auf der linken Seitesah sie das hölzerne Gitter einer Kerkerzelle, die jedoch leer war. Weiter hinten lungerten auf einem Haufen Kanonenkugeln ein paar Soldaten und würfelten. Als die Henkerstochter an ihnen vorbeieilen wollte, blickte einer von ihnen auf und funkelte sie böse an.
»He, Mädchen!«, rief er. »Was hast du hier drinnen verloren?«
Magdalena machte einen Knicks und schaute demütig zu Boden. »Die beiden hohen Herren am Tor haben gesagt, dass ich mal einen Blick auf das Monstrum vom Baderhaus werfen darf.« Verlegen nestelte sie an ihrem Mieder. »Stimmt es denn, dass er sich bei Vollmond in einen Werwolf verwandelt, so mit Fell, Zähnen und allem?«
»Wer hat dir denn das erzählt?«
»Die … die beiden hohen Herren eben.« Wie ein dummes Bauernmädchen malte Magdalena mit ihrem rechten Schuh Muster in den Dreck und zog eine Schnute. »Und dass ich deshalb auch mal nachts kommen soll, dann könnt’ ich es sehen, das mit der Verwandlung.«
Der Mann lachte und zwinkerte seinen Kameraden zu. »Gerne, Mädchen. Geh nur! Und wenn der böse Werwolf heult, dann retten wir dich.« Er deutete auf einen Gang zur Linken, wo eine Türe offenstand. Dann griff er wieder zu den Würfeln. »Du findest das Monstrum dahinten drin. Aber pass auf, dass es dich nicht beißt.«
Unter etlichen Knicksen und dem Gelächter der versammelten Wachmannschaft betrat Magdalena den dunklen Gang. Hektisch sah sie sich um. Rechts befanden sich einige robust aussehende Türen mit Eisenverschlägen. Nur, welche war die richtige? Viel Zeit hatte sie nicht. Vermutlich würden die Wachen schon bald zu ihr stoßen und sie zu einem Schäferstündchen in eine der Zellen einladen. Was ihr dann drohte, mochte sie sich gar nicht ausmalen.
»Vater!«,flüsterte Magdalena und klopfte gegen die hölzernen Wände. »Kannst du mich hören? Ich bin’s, deine Tochter!«
Hinter der mittleren Tür war ein Rumpeln zu hören, schließlich ertönte die Stimme Jakob Kuisls.
»Magdalena! Bei Gott, was machst du hier in Regensburg?«
Die Henkerstochter drückte ihre Stirn ganz nah an eine nur handtellergroße Luke neben der Tür. Im Dämmerlicht konnte sie den Kopf ihres Vaters erkennen, der Bart zottig und verfilzt, die weißen Augäpfel leuchtend in einem vor Schmutz starrenden Gesicht. Der Gestank von Fäulnis und Exkrementen raubte ihr fast den Atem. »Das erzähl ich dir ein andermal«, zischte sie. »Der Simon hat mich begleitet. Jetzt verrat mir lieber, was passiert ist und wie ich dir helfen kann. Die Wachen können jeden Augenblick wieder hier sein!«
»Himmelherrgott, wer hat euch beiden erlaubt, so mir nichts, dir nichts aus Schongau abzuhauen!«, fluchte Kuisl. »Deine Mutter stirbt wahrscheinlich grad vor Angst, und der Lechner springt im Quadrat, weil ihm keiner den Mist wegräumt! Wenn ich hier rauskomm, dann versohl ich dir den Arsch, dass …«
»Papa«, zischte Magdalena. »Du hast jetzt wirklich andere Sorgen. Also, red schon!«
»Es war eine Falle«, flüsterte Jakob Kuisl, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte. »Jemand hat die Lisl und ihren Mann umgebracht und will mir den Mord in die Schuhe schieben.« Schnell berichtete er, was er seit seiner Ankunft erlebt hatte. »Ich weiß nicht, welcher Sauhund mir das angetan hat«, murmelte er schließlich. »Aber bei Gott, wenn ich ihn find, dann brech ich ihm sämtliche Knochen.«
»Aberdafür musst du erst mal hier raus«, sagte Magdalena.
Hektisch sah sie sich nach einem Schlüssel um, konnte aber keinen entdecken. Schließlich begann sie an der Tür zu rütteln.
»Lass den Schmarren«, brummte ihr Vater. »Ich komm hier nicht frei. Es
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