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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Gulden über den Tresen rollen, die die Alte sofort begierig in ihre Hand strich. Magdalena blieb der Mund offen stehen. Der Mann hatte eben so viel für den Wein bezahlt, wie ihre Familie in einer Woche ausgab.
    »Ihr mögt Bücher?«, fragte er Magdalena und deutete aufdie Regalwand hinter sich. »Kennt Ihr dann vielleicht Shakespeare?«
    »Wir sind eher an medizinischer Lektüre interessiert«, ergriff Simon nun das Wort. Silvio Contarini drehte sich erstaunt um, als würde er den Medicus erst jetzt wahrnehmen.
    »Wie meinen?«
    »Nun, Scultetus, Paré, Paracelsus eben. Aber die sind Euch vermutlich kein Begriff.« Simon griff nach seinem Reisesack und wandte sich der Wirtin zu. »Können wir jetzt das Zimmer sehen?«
    Ohne auf Magdalena zu warten, stapfte er die schmale Stiege nach oben. Silvio sah die Henkerstochter erstaunt an. »Ist Euer Freund immer so … ruppig? Diese blauen Flecken im Gesicht, Madonna! Er schlägt sich wohl viel, wie?«
    Die Henkerstochter lächelte. »Eigentlich nicht. Er liebt Bücher, genau wie Ihr. Es war wohl heute alles ein bisserl viel für ihn. Wir kommen von weit her, müsst Ihr wissen.«
    Der Venezianer lächelte. »Wohl nicht so weit wie ich. Ma che ci vuoi fare! Was verschlägt Euch nach Regensburg?«
    »Mein … Vater«, sagte Magdalena zögerlich. »Wir kommen aus Schongau, meine Tante lebt hier, vielmehr sie lebte … wir wollten sie besuchen, aber …« Sie winkte ab. »Es ist zu kompliziert, um es in wenigen Worten zu erklären.«
    Silvio nickte. »Dann vielleicht ein andermal, bei einem Glas Wein.« Plötzlich griff er in seine Rocktasche, zog ein kleines Büchlein hervor und reichte es Magdalena.
    »Wenn Ihr Lust habt, lest solange das hier. Es sind Gedichte eines gewissen William Shakespeare. Ich habe sie selbst ins Deutsche übersetzt. Sagt mir einfach, wie sie Euch gefallen haben.«
    Verwundertnahm Magdalena das in Leder gebundene Werk entgegen. »Aber wer sagt Euch, dass wir uns wiedersehen?«
    Silvio lächelte. »Ich bin sicher, das werden wir. Ich bin öfter hier. Arrivederci .« Er machte eine grazile Verbeugung und tänzelte hinaus.
    Verblüfft sah ihm Magdalena noch eine Weile nach, dann stieg sie die schmale Treppe hinauf zu der Kammer, wo Simon bereits auf einem der beiden flohverseuchten Betten lag und zur Decke starrte. Die Henkerstochter grinste.
    »Kann es sein, dass du ein bisserl eifersüchtig bist?«
    Simon schnaubte. »Eifersüchtig? Auf den Zwerg?«
    »Stimmt. Er ist genauso groß wie du.«
    »Sehr witzig«, blaffte Simon. »Falls du es nicht bemerkt haben solltest, der Mann war wie ein Weib geschminkt. Und er trug eine Perücke !«
    Magdalena zuckte die Achseln. »Und wenn schon. Ich hab gehört, dass das am französischen Hof jetzt viele Männer machen. Schaut doch nicht schlecht aus.«
    Der Medicus richtete sich auf und sah Magdalena an, als spräche er zu einem kleinen, trotzigen Kind. »Magdalena, glaub mir, ich kenne solche Herrschaften. Das ist nichts als Schein! Schöne Kleider, schlaue Sprüche und nichts dahinter!«
    Seufzend legte sich die Henkerstochter neben Simon und zog ihn mit beiden Armen zu sich herab.
    »Merkwürdig«, flüsterte sie. »Das kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    Spät in der Nacht wanderte der Torwächter Johannes Büchner durch die Gassen der Stadt und genoss die milde, kühle Sommerluft. In regelmäßigen Abständen warf er einen Lederbeutel mit Gulden in die Höhe, so dass die Münzen wie ein Schellenkranz klirrten. Der Hauptmann hatte sich das Geld für den heutigen Sonntag aufgehoben, wo er mit ein paar Kollegen im Hinterzimmer des ›Schwarzen Elefanten‹ eine Partie Würfel spielen wollte. Hoher Einsatz, hoher Gewinn, so war es Büchner am liebsten.
    Angst, überfallen zu werden, hatte er trotz der beginnenden Dämmerung keine. Immerhin war er der leitende Wachtmeister des Jakobstores, das Gesindel kannte ihn. Die Bettler, Taschendiebe und Huren wussten, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Im Gegensatz zu den vielen anderen Wachleuten, für die der Dienst am Tor nur eine lästige Bürgerpflicht darstellte, die man in regelmäßigen Abständen erfüllen musste, war Büchner ein ausgebildeter, von der Stadt bezahlter Soldat. Außerdem: Wer ein Mitglied der Stadtwache angriff, lief Gefahr, mit heraushängenden Eingeweiden am Galgen zu enden. Zuvor aber würden Büchners Kollegen den Unglücklichen in die Mangel nehmen. Spätestens dann würde sich das arme Schwein wünschen, bereits tot zu sein.
    Der Weg

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