Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
rauf bis in den obersten Rat.«
»Ich versteh kein Wort. Was kann ein Bader schon …«
»Ich sehe, wir müssen dir ein bisschen mehr erzählen«, unterbrach ihn seufzend der Bettlerkönig und rieb seine Finger aneinander. »Aber mein Rat kostet dich was.«
»Ich hab kein Geld.«
Nathan machte eine abfällige Handbewegung. »Geld! Immerdieses Geld! Als wenn es nichts Wertvolleres im Leben gäbe!«
»Was … was meinst du damit?«, fragte Simon vorsichtig.
Plötzlich wurde Nathan ernst. Er verschränkte die Hände wie zum Gebet und sah den Medicus nachdenklich an.
»Ach, komm schon, Doktorlein, du glaubst doch nicht, dass ich dich so mir nichts, dir nichts in unser Versteck spazieren lasse, wenn ich nicht etwas Bestimmtes mit dir vorhätte.« Er wies auf die verkrümmten Gestalten in den Ecken der großen Halle. »Der Reiser meint, du seist ein guter Arzt. Wie du siehst, haben wir hier viele Kranke, Leute mit entzündeten Beinen, auf denen die Fliegen sitzen und ihre Eier legen. Geschwüre, Eiterbeulen und der Husten treiben so manchen in den Wahnsinn. Ich will, dass du dir jeden Einzelnen ansiehst. Umsonst natürlich. Einen Doktor kann sich keiner von denen leisten.«
»Und wenn ich mich weigere?«, erkundigte sich Simon leise.
Der Bettlerkönig räusperte sich. »Kein guter Gedanke. Dann wird der Schinder morgen früh einen menschlichen Kadaver zwischen all dem Unrat finden. Ich hab gehört, dass man aus Menschenfett und Menschenhaut wunderbare Arzneien gewinnen kann. Die Apotheken zahlen Unsummen dafür.«
»Es schaut nicht so aus, als ob ich die Wahl hätte«, erwiderte der Medicus mit blassem Gesicht.
Nathan lächelte. »Sieh’s doch mal so. Wie ich gehört habe, suchst du sowieso gerade eine Anstellung. Wir bieten dir hier Kost und Logis und außerdem ein paar Informationen, die dir weiterhelfen können. Das ist doch ein gutes Geschäft!«
»Aberwer garantiert mir, dass ihr mich danach nicht beseitigt? Schließlich weiß ich jetzt euer Versteck.«
Nathan fasste sich entsetzt an die Brust. » Mon dieu! Du sprichst mit dem Bettlerkönig! Wem sonst solltest du in diesem Schlangenloch Regensburg vertrauen können, wenn nicht mir!« Seine Stimme bekam etwas Verschlagenes. »Natürlich nur, wenn ich dir auch vertrauen kann und du dein Maul hältst.«
Simon seufzte. »Also gut, ich mach’s. Was bleibt mir schon anderes übrig? Und jetzt erzähl schon, was du weißt.«
Der Bettlerkönig scheuchte die anderen vom Tisch weg und beugte sich so nah herüber zu Simon, dass der Medicus von seinem fauligen, nach Knoblauch stinkenden Atem fast erstickt wurde.
»Der Hofmann war einer von den Freien «, flüsterte Nathan und machte eine dramatische Pause, bevor er weitersprach. »Eine geheime Gesellschaft von Handwerkern und einfachen Bürgern, die gegen die Machtfülle der Regensburger Patrizier aufbegehren. Die Freien wollen den Zünften wieder mehr Rechte zusichern, aber die reichen Pfeffersäcke wehren sich mit Händen und Füßen dagegen. Vor ein paar Jahren hat man ein paar der Anführer wegen Aufruf zum Umsturz gehängt. Seitdem sind die Freien in den Untergrund abgetaucht. Von dort planen sie, die Macht der Patrizier zu brechen. Notfalls auch mit Gewalt. Und vielleicht gemeinsam mit dem Kurfürst und dem Bischof.«
»Mit dem Bischof?«, fragte Simon verwundert. »Aber die Kirche …«
Nathan rollte die Augen. »Heilige Einfalt! Aus welchem Kuhdorf kommst du? Das hier ist Regensburg!« Er zuckte mit den Schultern. »Ich seh schon, ich muss weiter ausholen. Also, eigentlich ist das hier eine freie Reichsstadt, regiert von reichen Patriziern, die nur dem Kaiser unterstellt sind. Capito? Aber nebenbei ist Regenburg auch Bischofssitz und eine wichtige Stadt im Kurfürstentum Bayern. Deshalb haben sowohl der Kurfürst wie auch der Bischof hier ihre eigenen Niederlassungen, und der Bischof hat sogar seine eigenen Gesetze. Für uns Bettler ist das manchmal gar nicht so einfach, weil wir überhaupt nicht wissen, wer uns demnächst die Hand abschneiden oder aus der Stadt prügeln wird. Nicht wahr, Freunde?«
Er blinzelte zu den anderen Bettlern hinüber und erntete zustimmendes Gelächter.
»Sowohl der bayerische Kurfürst wie auch der Regensburger Bischof wollen in der freien Reichsstadt mehr Einfluss«, fuhr er schließlich fort. »Jedes Mittel ist ihnen recht, wenn sie nur den Kaiser und die Patrizier schwächen können. Gut möglich also, dass die hohen Herren mit den Freien zusammenarbeiten. Alles
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