Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Euch.«
»Ich fürchte, das ist aussichtslos.« Bewaffnet mit einem Teller Konfekt hatte sich ihnen Silvio unbemerkt genähert. Nun legte er einen Arm um Magdalenas schweißnasse Schultern und bot ihr Marzipan an. »Lieber Mämminger, Ihr werdet mich nie dazu bewegen, dieses wunderschöne Domizil zu verlassen«, sagte er lächelnd. »Es sei denn, la bella signorina überredet mich, mit ihr nach Schongau zu ziehen.«
PaulusMämminger runzelte die Stirn. »Schongau? Wieso Schongau? Ich dachte …«
»Ich werde die Herren nun alleine lassen«, säuselte Magdalena und verbeugte sich unbeholfen, so als hätte sie einen kleinen Schwips. »Der Wein steigt mir zu Kopf, ich brauche ein wenig frische Luft, fürchte ich.« Sie hielt sich gähnend die Hand vor den Mund und tänzelte unter den giftigen Blicken der anderen Frauen Richtung Ausgang.
Erhobenen Hauptes schritt sie durch die Tür und stolzierte über die breite Treppe hinunter in den verlassenen Innenhof. Erst dort ließ sie sich erschöpft auf eine Bank fallen und atmete tief durch. Vermutlich zerrissen sie sich drinnen gerade das Maul über den verkleideten Bauerntrampel. Hier draußen unter dem klaren Sternenhimmel kam sie wenigstens etwas zur Ruhe.
Fast andächtig sah sich Magdalena in dem kleinen Paradies mitten in der Stadt um. Neben Rosensträuchern und Zitronenbäumen gab es mannshohe, zu geometrischen Figuren geschnittene Wacholderbüsche, die im Licht des Vollmonds wie Fabelwesen wirkten. Keiner der Gäste hielt sich hier auf, nur von fern waren Gelächter und Musik zu hören. Irgendwo im Gebüsch zwitscherte eine Nachtigall.
Trotz der Idylle um sie herum war Magdalena den Tränen nah. Dieser Mämminger schien irgendetwas zu ahnen, und es war gut möglich, dass er soeben Silvio von seinem Verdacht erzählte. Was hatte sie auch zwischen diesen eitlen Gockeln verloren! Sie wollte zurück zu ihrem Simon, zurück in die kleine Welt Schongaus mit seinen ausgebleichten Fachwerkhäusern, billigen Bierschenken und derben Bauersleuten. Viel zu spät fiel ihr ein, dass sie nie wieder nach Schongau zurückkonnte. Nie wieder würde sie die manchmal sanfte, manchmal schimpfende Stimmeihrer Mutter hören, nie mehr ihren schlafenden Geschwistern über die Wangen streicheln. Schongau war am anderen Ende der Welt, und ihr Vater, der Henker, wartete hier in Regensburg in einem finsteren Loch auf seine eigene Hinrichtung.
Ein ätzender Geschmack stieg Magdalenas Kehle hoch. Wenn doch wenigstens ihr Simon hier wäre! Was würde der junge Medicus wohl sagen, wenn er sie hier mit verschmierter Schminke im Gesicht und in Reifrock und Samtjäckchen sehen könnte? Die heruntergekommene Mätresse des venezianischen Gesandten, eine bemalte Puppe …
Sie schluchzte auf, doch plötzlich hielt sie inne.
Etwas schabte ganz in der Nähe an der Mauer.
Ohne weiter nachzudenken, rutschte Magdalena von der Bank und schlich auf Zehenspitzen hinter einen der Wacholderbüsche. Von dort aus beobachtete sie, wie sich eine schwarze Gestalt aus einem der Fenster des Nachbarhauses in den Garten gleiten ließ. Als der Fremde sich zu ihr umdrehte, hätte die Henkerstochter vor Entsetzen beinahe laut aufgeschrien.
Es war der Mann aus dem Kaffeehaus. Der gleiche Mann, der dem venezianischen Gesandten den Rock aufgeschlitzt hatte und dem sie nur um Haaresbreite entkommen waren. Wie heute Mittag trug er einen weiten schwarzen Mantel und eine Kapuze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. An seiner Seite baumelte noch immer das Rapier. Seine geschmeidigen Bewegungen erinnerten die Henkerstochter an eine Spinne, die sich einer im Netz zappelnden Fliege näherte.
Magdalena wollte schon fortlaufen, als sie feststellte, dass der Mann sie noch nicht bemerkt hatte. Der Fremde schaute sich wachsam um, dann setzte er sich auf die Bankund schien auf etwas zu warten. Immer wieder blickte er nervös zu der breiten Treppe, über die man in das Patrizierhaus und zum Festsaal gelangte.
Magdalena drückte sich in den vom Tau feuchten Rasen hinter dem Wacholderbusch, sie war jetzt so nahe an der Bank, dass sie den Atem des Mannes hören konnte.
Die Glocken des Doms schlugen zwölf Uhr, als sich von der Treppe her ein Schatten näherte. Magdalena hob kurz den Kopf und erstarrte.
Es war der Regensburger Stadtkämmerer!
Zielstrebig ging Paulus Mämminger auf den Fremden zu und setzte sich neben ihn.
»Wir haben nicht viel Zeit«, flüsterte er. »Contarini wird Verdacht schöpfen, wenn ich zu lange
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