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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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sein, dass wir dich finden werden. Überall. Verräter sterben bei uns sehr langsam. Denk an das Menschenleder.«
    »Ich … nicht mal im Traum würde ich …«, stotterte Simon.
    »Umso besser«, sagte Nathan und rannte schon weiter. »Nicht dass ich es dir zugetraut hätte, aber ich muss mich absichern, du verstehst.«
    Wieder kicherte er, und der Medicus folgte ihm seufzend.Simon wurde aus Nathan nicht so recht schlau. Manchmal behandelte er ihn wie einen Freund, nur um im nächsten Moment wieder berechnend und kühl zu wirken.
    Wer sagt mir, dass er mich nicht gerade in eine Falle laufen lässt? , dachte Simon.
    In diesem Augenblick hörte der Gang auf. Eine Strickleiter baumelte von der Decke und verschwand in einem Schacht, der nach oben führte. Nathan kletterte voraus und schob etwas Großes, Schwarzes zur Seite. Als Simon hinter ihm an die Oberfläche gelangte, erkannte er, dass es ein morsches Fischerboot war, das unweit des Ufers im Gebüsch versteckt lag.
    Der Medicus sog die frische Nachtluft ein und blickte sich um. Im Licht des Vollmonds sah er eine mit Gras bewachsene flache Insel, die sich längs der Donau in beide Richtungen erstreckte. Rechts lag im Mondlicht die Steinerne Brücke, die durch einen Damm mit der Insel verbunden war. Nicht weit entfernt standen einige größere Lagerschuppen und Gebäude, von denen morsche Stege ins dunkle, rauschende Wasser ragten. Mühlräder drehten sich ratternd und quietschend und brachten etwas im Inneren der Häuser zum Stampfen. Es hörte sich an wie das Schnarchen eines gewaltigen Riesen.
    »Die Mühlen auf dem Wöhrd«, flüsterte der Bettlerkönig ehrfürchtig. »Hörst du das? Das ist Zukunftsmusik! Es erstaunt mich immer wieder, zu was der Mensch fähig ist.« Er deutete auf die knatternden und surrenden Räder, die wie eine einzige große Maschine längs des Ufers durch den Fluss pflügten. »Sägewerke, Papiermühlen, Walkmühlen und natürlich die große Getreidemühle. Siehst du das Haus dahinten mit dem spitzen Giebeldach? Das ist die größte Mühle in ganz Regensburg! Dort erwarten dich die Freien. Ich werd solang hier auf dich warten.«
    Simonzögerte. »Warum willst du mich nicht begleiten?«
    Nathan machte eine entschuldigende Geste. »Sie haben klipp und klar gesagt, dass ich draußen bleiben soll. Spielen eben gern die großen Unbekannten. Na, wenn ich ehrlich bin, will ich auch gar nicht wissen, wer sie sind. Bringt nur Schwierigkeiten. Und jetzt geh schon, bevor sie dich zwischen den Mühlsteinen zu Knochenmehl zermahlen.« Er zwinkerte Simon noch einmal zu, dann verschwand er in einem nahen Gebüsch.
    Der Medicus blickte sich nach allen Seiten um, konnte aber nichts Auffälliges feststellen. Schließlich ging er, vorbei an Stapeln von Baumstämmen und Holzschuppen, auf die bestimmt zehn Schritt hohe Mühle zu, an deren Vorderseite ein gewaltiges Wasserrad in die Donau ragte. Es drehte sich klappernd. Im Inneren des Gebäudes war noch immer das Stampfen und Rasseln zu hören, es überdeckte jedes andere Geräusch.
    Auf der Rückseite entdeckte Simon schließlich eine offen stehende Tür. Drinnen fiel fahles Mondlicht durch die hohen Fenster und beleuchtete Getreidesäcke, wurmzerfressene Holzzuber und alte Mühlsteine, die links und rechts des Eingangs zu Türmen aufgestapelt waren. Zwischen den Säcken verliefen schmale Wege, die irgendwo in der Dunkelheit endeten, weiter hinten drehte sich ein Mühlstein von der Größe eines Fuhrwerks, er verursachte das grässliche mahlende Geräusch. Simon spürte weichen Mehlstaub unter seinen Sohlen und tastete sich vorsichtig den breitesten der Wege entlang.
    »He, ist hier jemand?«, rief er und kam sich im nächsten Moment reichlich blöd vor. Wer sollte ihn bei diesem Lärm schon hören?
    Vielleicht soll mich auch keiner hören?
    Aufeinmal verstummte das Geräusch, und eine völlige Stille breitete sich aus, die fast noch schlimmer war als das Mahlen und Stampfen von vorher. Irgendwo rieselten leise Getreidekörner zu Boden.
    Simon blieb stehen und griff zu seinem Stilett, das am Gürtel baumelte.
    »Wer auch immer ihr seid, kommt jetzt raus! Ich spiel nicht gern Verstecken.« Er versuchte seiner Stimme einen festen Ton zu geben. Doch es misslang, seine Worte klangen eher wie ein Krächzen.
    Plötzlich flammte in dem Gang zu seiner Rechten ein kleines Licht auf, das schnell näher kam. Auch links, vor und hinter ihm waren jetzt Lichter zu erkennen. Simon blinzelte. Es waren Männer mit Laternen,

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