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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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zu sein schien. Weg von Silvio.
    In ihrem roten zerrissenen Kleid, den nackten Füßen und der in Fetzen hängenden Samtjacke sah sie aus wie ein vom Himmel gefallener Engel.
    Simon stand mit offenem Mund zwischen den Mehlsäcken der Mühle, das Stilett fiel ihm aus der Hand, er starrte den Mann mit der Kutte an. Es dauerte eine Zeit, bis er das Wort an ihn richten konnte.
    »Ihr hier … bei den Freien?«, stotterte er. »Aber wieso …?«
    Der Regensburger Floßmeister warf seine Kapuze in den Staub.
    »Ja, ich«, knurrte Karl Gessner. »Du gibst ja doch keine Ruhe, bis du die Wahrheit weißt. Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Noch kannst du umkehren.«
    Simon schüttelte stumm den Kopf.
    »Das hab ich mir fast gedacht«, seufzte der Floßmeister und gab den anderen maskierten Männern mit einem Wink zu verstehen, dass sie nicht mehr gebraucht wurden.
    »Lasst mich mit dem Doktor eine Weile alleine«, murmelte er. »Ich glaube kaum, dass von ihm eine Gefahr ausgeht.«
    »Aber Meister«, meldete sich einer der Maskierten zaghaft. »Ihr habt Eure Kapuze heruntergezogen. Der Mann kann Euch verraten. Sollten wir nicht …«
    »Erwird uns nicht verraten«, unterbrach ihn Gessner und setzte sich auf einen der Mehlsäcke. »Wenn es stimmt, was der Bettlerkönig geplappert hat, dann ist er auf unserer Seite. Und jetzt geht.«
    Die Männer verbeugten sich und verließen leise murmelnd die Mühle. Simon spürte, dass nicht alle mit der Entscheidung ihres Meisters einverstanden waren.
    »Ihr also seid der Anführer der Freien?«, sagte der Medicus beeindruckt. »Der Regensburger Floßmeister! Ich hatte mit einer Bande Ausgestoßener gerechnet, mit Gesetzlosen …«
    »Mit Mördern und Halunken, nicht wahr?«, vollendete Gessner seinen Satz. »So schimpfen uns die Patrizier. Aber die Wahrheit sieht anders aus.« Er bedeutete Simon, sich neben ihm auf einem der grauweißen Leinensäcke niederzulassen. Dann kramte er unter seinem Mantel eine Tonflasche hervor, nahm einen tiefen Schluck und reichte sie dem Medicus. Als Simon an dem Getränk nippte, musste er husten. Es war hochprozentiger Schnaps. Trotzdem nahm er einen tiefen Schluck. Nach dem Schrecken konnte er einen Beruhigungstrank gut gebrauchen.
    »Für die Ratsherren sind wir nichts weiter als eine Bande Verbrecher«, fuhr der Floßmeister fort. »Dabei sind sie selbst die Strauchdiebe.«
    »Wie meint Ihr das?«, fragte Simon.
    Karl Gessner stand auf und begann, zwischen den gestapelten Säcken hin und her zu wandern.
    »Siehst du das?« Er klopfte auf einen der prall gefüllten Getreidebeutel. »Das ist gutes Mehl. Von Bauern als Korn geerntet, von Müllern gemahlen, von Bäckern zu Brot gebacken. Eine Heidenarbeit, die wir Handwerker jeden Tag leisten. Wir rackern uns den Buckel krumm, doch den Profit machen die fetten Händler!« Er spuckte in den Mehlstaub.»In anderen Städten haben wir Handwerker wenigstens eine Stimme im Inneren Rat, aber nicht hier in Regensburg. Im Laufe der Jahrhunderte haben uns die Patrizier aus dem Stadtrat verdrängt. Alle wichtigen Ämter sind von ihnen besetzt. Fünfzig Familien bestimmen über die Zukunft von Tausenden, und seit ein paar Jahren dürfen jetzt sogar nur noch Protestanten das Bürgerrecht erlangen! Ist das gerecht?« Der Floßmeister hatte sich in Rage geredet und stieß mit dem Fuß einen Holzscheffel zur Seite.
    »Nicht einmal einen Bürgermeister gibt es noch in Regensburg!«, fuhr Gessner zornig fort. »Sie haben das Amt einfach abgeschafft, weil er von uns Bürgern, von der Gemeinde, gewählt wurde! Jetzt regiert im Rat der Kämmerer, einer aus ihrer Mitte. In Regensburg herrscht das Geld und nicht das Volk! Und das, nachdem wir uns in langem Kampf von Herzog und Bischof losgesagt haben. Freie Reichsstadt Regensburg, ha! Wir könnten frei sein, stattdessen lassen wir uns von den Patriziern wie ein Tanzbär an der Nase herumführen.«
    Gessner war mit seiner Rede am Ende. Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann räusperte sich Simon.
    »Und was wollt ihr Freien dagegen unternehmen?«
    Der Floßmeister zuckte vielsagend mit den Schultern. »In England haben sie vor ein paar Jahren ihren König geköpft und die Republik ausgerufen. Das Volk lässt sich eben nicht mehr so leicht gängeln.«
    »Ein Aufstand also? Ist es das, was Ihr wollt?«
    Der Floßmeister seufzte und ließ sich neben dem Medicus auf die Getreidesäcke fallen. Er nahm noch einen tiefen Zug aus der Flasche. »Wir haben es ja

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