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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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rannte auf das Seitenschiff des Doms zu. Vielleicht fand sie einen Eingang und konnte im Inneren der Kirche Schutz suchen!
    Die Henkerstochter lief an Säulen, Heiligenfiguren und Wasserspeiern vorbei. Hinter jeder Ecke schien plötzlich eine Gestalt zu lauern, von allen Seiten ertönte jetzt das Getrappel flinker Schritte. Endlich tauchte vor Magdalena eine schmale Tür auf. Als sie die Hand auf die Klinke legte, spürte sie plötzlich einen haarigen Arm auf ihrer Schulter. Sie fuhr herum, bereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, da vernahm sie eine Stimme direkt neben ihrem Ohr.
    »Bleib, wo du bist, Mädchen. Ich regel das schon.«
    Vor ihr stand ein älterer Mann. Er trug einen Verband über dem rechten Auge. Magdalena erkannte in ihm den Bettler, den Simon auf dem Rathausplatz von seiner Blindheit geheilt hatte.
    »Die ganze Nacht such ich dich bereits«, murmelte er und sah sie vorwurfsvoll von oben bis unten an. »So wie du aussiehst, war es höchste Zeit, dass ich dich gefunden habe. Dein Verlobter macht sich bereits große Sorgen.«
    Er wird sich noch mehr Sorgen machen, wenn ich ihm erzähle, was ich in den letzten Stunden erlebt habe, dachte Magdalena.
    HansReiser wandte sich derweil an die Meute, die soeben das Seitenportal erreicht hatte und mit Krücken, Steinen und rostigen Tellern über die Henkerstochter herfallen wollte.
    »Hört her, dieses Mädchen ist eine von uns!«, rief Reiser. »Sie gehört zu dem jungen Medicus, der viele unserer Brüder und Schwestern bereits geheilt hat. Und sie steht unter dem persönlichen Schutz des Bettlerkönigs, also lasst sie in Ruh!«
    »Sie … sie hat den Pockenpeter fast umgebracht«, meldete sich unsicher die Alte. »Und beleidigt hat sie uns, die freche Dirn!«
    Gemurmel ertönte, da und dort flogen die ersten kleinen Steine.
    »Das Flittchen soll froh sein, wenn wir auf sie aufpassen!«, meldete sich ein Buckliger mit Krücken. »Jetzt, wo irgend so ein Monstrum die Dirnen entführt und aufschlitzt. Da kann sie sich schon mal für uns hinlegen. Das ist mehr als gerecht!«
    »Willst du das Nathan erzählen?«, knurrte Hans Reiser und sah den Buckligen drohend an. »Willst du ihm sagen, was gerecht ist und was nicht?« Dann wandte er sich an die Übrigen. »Soll ich Nathan berichten, dass ihr seinen Befehlen nicht mehr gehorcht? Soll ich das wirklich?«
    Der Bucklige duckte sich und machte ein Schutzzeichen. »So war’s doch nicht gemeint. Wir dachten nur …«
    »Dann ist’s ja gut.« Hans Reiser nahm die verdutzte Magdalena am Arm und führte sie langsam die Treppe hinunter. »Ich werde mit diesem Mädchen jetzt zu Nathan gehen«, rief er mit lauter Stimme. »Und ich hoffe nicht, dass uns jemand aufhält.«
    Vor ihnen wichen die lumpigen Bettler zischend und schimpfend zurück, sie bildeten eine schmale Gasse, geradebreit genug, dass Magdalena und ihr Retter hindurchpassten. Mit Abscheu bemerkte die Henkerstochter, wie sich einige der erbärmlichen Kreaturen die Lippen leckten oder obszöne Gesten machten. Trotzdem rührte sich keiner von der Stelle.
    »Jetzt legt euch wieder schlafen«, sagte Reiser zur Menge, als sie beide unten am Domplatz standen. »Und zwar schnell, bevor die Wachen euch alle mit Spießen vom Platz treiben. Wer krank ist oder Schmerzen hat, der kann morgen ins Zunfthaus kommen. Der Doktor nimmt sich euer gerne an. Allerdings nur dann, wenn ihr sein Mädchen nicht anrührt.«
    Der alte Bettler zog Magdalena in eine Gasse. Kurz noch konnte sie hinter sich das Murmeln der Menge hören, dann war der Alptraum vorbei.
    Nur ein paar Gassen entfernt griff gerade der Satan nach den Schenkeln Katharinas. Er drückte sie auseinander und grub seine Krallen in den Rücken der Dirne, die seit über einer Woche ihrem Schicksal entgegendämmerte. Schon längst hatte sie verlernt, zwischen Träumen und Wirklichkeit zu unterscheiden.
    Katharina spürte scharfe Nadeln durch ihr Fleisch fahren, sie roch ihr eigenes Blut, sie schlug und kratzte, doch der haarige, stinkende Leib presste sie zu Boden, bis sie einen stechenden Schmerz zwischen ihren Beinen spürte. Sie schmeckte den tranigen, moschusartigen Schweiß eines brünstigen Bocks, der sich an ihr abarbeitete. Als sie kurz die Augen öffnete, sah sie plötzlich drei schwarzgewandete Priester in ihrer Zelle stehen und mit den Fingern auf sie zeigen.
    Unkeusches Weib … Lüsternes Weib … Von Gott verfluchtes Weib …
    DieAugen der Männer leuchteten rot wie glühende Kohlen, dann

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