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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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verwandelten sie sich in nackte Jungfrauen, die sich ihr lächelnd näherten. Als eine von ihnen die Lippen hochzog, erkannte Katharina die spitzen Zähne einer Wölfin.
    »Neiiiiin! Geht weg, geht weg von mir! Ihr seid nur böse Träume!«
    Jungfrauen, Priester und Teufel verschwanden. Zurück blieb eine leere Kammer mit einer schweißüberströmten Katharina auf dem kalten Boden. Ein Kribbeln breitete sich auf ihrer Haut aus, das stärker und stärker wurde, bis sie begann, sich wie ein wilder Keiler an der Wand zu scheuern. Unwillkürlich musste sie kichern.
    Wie eine Sau im Wald … Ich verwandel mich in eine Sau im Wald. Bald wächst mir ein Rüssel …
    Sie fing an, laut loszulachen. Sie krümmte sich und rang nach Luft, schließlich brach sie zusammen; das Lachen ging mehr und mehr in ein Schluchzen über, das leiser wurde und dann verebbte. Einen Augenblick lang konnte Katharina wieder klar denken, sie versuchte sich verzweifelt an ihrem Verstand festzuklammern, der ihr mehr und mehr entglitt.
    Ist das das Fegefeuer? Bin ich schon tot?
    Quietschend öffnete sich die Klappe, und behandschuhte Hände schoben weitere Köstlichkeiten herein. Wein, weißes Brot, rosa Kalbfleisch in sämiger, dampfender Soße. Dazu Knödel, Brezen und honigtriefendes Konfekt.
    Oder sieht so das Paradies aus?
    Das Auge glotzte und starrte, bis Katharina noch den letzten Rest Soße mit dem warmen Weißbrot ausgetunkt hatte. Dann wandte sich sein Besitzer ab und ging pfeifend die Treppe hinauf.
    Das Experiment verlief äußerst zufriedenstellend.

8
    Regensburg, 21 . August
anno domini 1662 , frühmorgens
    E s ist so weit, Bayer. Wir fangen an.«
    Der Regensburger Scharfrichter stand in der Kerkerzelle und berührte sanft die Schulter von Jakob Kuisl, der auf dem harten, dreckigen Holzboden eingeschlafen war. Als der Schongauer Henker keinen Mucks von sich gab, stupste ihn Teuber mit dem Fuß an.
    »Komm, Mann, reiß dich zusammen. Die hohen Herren haben beschlossen, dich torquieren zu lassen«, brummte der Scharfrichter. »Wenn du noch lang hier rumliegst, zünden dir die Wachen das Stroh unter dem Arsch an.«
    »Wird kaum brennen, so nass und verschimmelt, wie’s hier ist.« Jakob Kuisl rieb sich die blutunterlaufenen Augen. »Selbst bei uns im kleinen Schongau liegen die armen Sünder besser als bei euch in der ach so feinen Reichsstadt.«
    Teuber lachte leise. »Wart’s ab. Nach der Urteilsverkündung kommst du ins Armesünderstübchen, so wie alle zum Tode Verurteilten. Da scheint wenigstens die Sonne rein, und Besuch kannst du auch empfangen.«
    »Ich freu mich schon ganz narrisch.«
    Jakob Kuisl stand mühsam auf und wandte sich zum Ausgang. »Geh ma. Bevor ich richtig wach werd.«
    Draußenvor der Türe warteten vier Stadtknechte, die den Schongauer Henker mit einer Mischung aus Angst und Abscheu betrachteten. Für sie war er das Monstrum aus dem Baderhaus, das zwei Menschen die Kehle durchgebissen hatte. So jedenfalls erzählten es sich die Leute auf der Straße. Einem solchen Unhold war auch zuzutrauen, dass er es mit vier bis an die Zähne bewaffneten Wachen im Kerkertrakt aufnahm. Die Büttel senkten ihre Hellebarden, bereit, jeden Moment zuzustoßen.
    »Ist schon gut«, knurrte Kuisl. »Ich werd euch schon nicht anspringen.«
    Ohne sich weiter um seine Bewacher zu kümmern, ging er mit Philipp Teuber den schmalen Gang entlang. Sie kamen zu einer Treppe, die sie in einen tiefer gelegenen großen Raum führte. Auf dem Weg dorthin passierten sie einen Kessel mit glühender Kohle, in dem ein paar Schürhaken steckten. Es roch nach Rauch, Schweiß und Angst.
    Anerkennend musterte der Schongauer Henker die Einrichtung der Folterkammer, die sich über ein gewaltiges Areal erstreckte. Zu Kuisls Linken stand die Streckbank, auf der eine mit Eisenkugeln gespickte, blutbefleckte Walze lag. Dahinter hing die sogenannte ›Schlimme Liesl‹, eine an einem Strick befestigte Holztriangel, mit der man die Delinquenten in die Höhe ziehen konnte. Steine zum Beschweren der Gliedmaßen lagen in unterschiedlichen Größen überall am Boden.
    An der rechten Wand befanden sich etliche Folterinstrumente, die Kuisl nur aus Erzählungen kannte, weil sie dem Schongauer Rat bislang zu teuer gewesen waren. Darunter der ›Jungfrauenschoß‹, ein Stuhl mit Dornen auf der Sitzfläche, der ›spanische Esel‹ und die sogenannte ›Rutschbahn‹, eine senkrechte Streckbank mit vier drehbaren, geschliffenen Dreikanthölzern. Zwei weiße

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