Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Talgkerzenspendeten flackerndes Licht. Sie steckten auf einem Ständer, in dessen Mitte ein Kruzifix daran erinnerte, dass alles hier Gottes Wille war.
»Respekt, Vetter. Hier fehlt’s wirklich an nichts.« Jakob Kuisls Blick wandte sich nach rechts, wo ein Teil des Kellers mit einem engmaschigen Holzgitter abgetrennt war. Dahinter war leises Getuschel zu hören.
»Die drei Fragherren sind schon da«, flüsterte Teuber und deutete auf das Gitter. »Wir warten nur noch auf den Wundarzt. Bis vor kurzem hat das der Bader Hofmann gemacht, aber jetzt mussten sie sich eben auf die Schnelle einen anderen suchen. Soviel ich weiß, ist es nun der Chirurgus Dominik Elsperger.« Teuber zuckte mit den Schultern. »Wenn du mich fragst, ein echter Quacksalber. Aber das spielt hier ohnehin keine Rolle.«
»Wer sind denn meine drei Inquisitoren?«, fragte Kuisl und versuchte hinter den Maschen etwas zu erkennen, konnte aber nur sich bewegende Schemen ausmachen. »Die haben wohl Angst, dass ich sie auffress.«
»Es sind immer drei Herren aus dem Rat«, sagte Teuber. »Nach altem Brauch das älteste und das jüngste Ratsmitglied. Der dritte ist bei jedem Prozess ein anderer. Ah, da kommt auch schon der Wundarzt!«
Die Büttel führten einen kleinen ängstlichen Mann herein, der Jakob Kuisl an den Schongauer Medicus Bonifaz Fronwieser erinnerte. Dominik Elsperger trug einen zerschlissenen Rock, darüber einen blutverschmierten Leinenkittel und in den Händen eine große Ledertasche, die er wie einen Schild vor sich hielt. Als er den Schongauer Henker sah, zuckte er zusammen.
»Ich … ich soll dich zunächst untersuchen«, stotterte der Chirurgus. »Ob du für das Verhör tauglich bist, wenn du verstehst. Zieh also bitte dein Hemd aus.«
JakobKuisl knöpfte sich das Gewand auf und zog es über den Kopf. Darunter tauchte ein haariger Brustkorb mit etlichen Narben und verwachsenen Schussverletzungen auf. Der kleine Wundarzt tastete den Henker zaghaft ab, wobei er immer wieder ängstlich zu den Wachen hinüberschaute. Er sah Kuisl kurz in die Augen und fühlte nach dessen Herzen. Als er den ruhigen Schlag spürte, nickte der Chirurgus mit wichtigtuerischer Miene.
»Der Delinquent ist für das Verhör mehr als geeignet«, sagte er in Richtung der abgesperrten Nische. »Eine Statur wie ein Ochse, der kippt uns so schnell nicht um. Von mir aus können wir beginnen.«
Aus der vergitterten Nische war außer leisem Flüstern noch immer nichts zu hören. Schließlich nahm Dominik Elsperger auf einer Bank Platz, deren Lehne eigenartigerweise nur über die Hälfte der Sitzfläche reichte. Teuber bemerkte den verwunderten Blick von Jakob Kuisl.
»Die zweite Hälfte der Bank ist für mich«, sagte der Regensburger Scharfrichter grinsend. »Uns ehrlosen Henkern steht keine Lehne zu. Aber zum Hinsetzen komm ich ohnehin kaum.«
»So ist es, Teuber«, ertönte nun endlich eine knarrende Stimme hinter dem Gitter. Sie klang, als gehöre sie zu einem älteren Mann, der gewohnt war, dass man ihm gehorchte. »Genug mit dem Getratsche. Wir wollen anfangen.«
Philipp Teuber nickte. »Ganz wie Ihr wünscht.«
Noch einmal wandte der Regensburger Scharfrichter sich an Jakob Kuisl und flüsterte ihm ins Ohr. »Gesteh, Kuisl. Ich versprech dir einen schnellen, sauberen Tod.«
»Mach deine Arbeit, Henker«, knurrte Jakob Kuisl. »Alles Weitere überlass mir.«
Eine zweite Stimme mit einem stark bayerischen Einschlagerklang jetzt von jenseits des Gitters. Sie war höher und heller als die des ersten Mannes. Kuisl vermutete, dass sie dem jüngsten Ratsmitglied gehörte.
»Teuber, zeig dem Mann erst einmal die Instrumente und erklär ihm ihren Zweck. Vielleicht macht ihn das bereits gefügig.«
»Spart euch das Gerede«, sagte Kuisl. »Ihr wisst, wer ich bin. Ihr müsst einem Henker nicht seine Arbeit erklären.«
Teuber seufzte und führte seinen Kollegen zur Streckbank. Mit großen, schwieligen Pranken band er Kuisls Hände und Füße an den beiden Walzen am jeweiligen Ende der Bank fest, so dass nicht die geringste Bewegung mehr möglich war.
»Jakob Kuisl aus Schongau«, ertönte wieder die knarrende Stimme hinter dem Gitter. »Du wirst beschuldigt, den Andreas Hofmann und seine Frau, die Lisbeth, geborene Kuisl, am Morgen des vierzehnten August in ihrer eigenen Badstube ermordet zu haben. Bekennst du dich schuldig?«
»So schuldig wie der Heiland«, knurrte Kuisl.
»Lästere nicht Gott«, meldete sich der junge Bayer. »Du machst alles nur
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