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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Ecken und Nischen. Sie hatten die Krätze, offene Beine, rasselnden Husten oder den Englischen Schweiß, und alle wollten sie von Simon und Magdalena kuriert werden. Mittlerweile ging es bereits auf Mittag zu.
    Gerade eben hatten sie einen besonders schweren Fall zu behandeln. Das linke Bein des alten Mathis war über und über mit eitrigen, schwärenden Wunden bedeckt, in denen sich bereits die ersten Maden tummelten.
    »Wenn die Principessa mit der Salbe fertig ist, wäre es schön, wenn sie mir bei der Wundreinigung helfen könnte«, sagte der junge Medicus und sah kurz von seiner Arbeit zu Magdalena hinüber. »Natürlich nur, wenn es nicht unter ihrer Würde ist.«
    Die Henkerstochter seufzte leise. Noch immer war Simon vergrämt, weil sie den gestrigen Abend mit Silvio verbracht hatte. Zwar hatte sie ihm bereits ein Dutzend Mal erklärt, dass der Ball beileibe kein Vergnügen gewesen war und sie ihre Neugierde im Garten des Venezianersbeinahe mit dem Leben bezahlt hatte. Trotzdem war Simon eingeschnappt. Ein wenig hatte sie sogar dafür Verständnis, doch mittlerweile ging ihr sein Getue ziemlich auf die Nerven. Vor allem, weil sie kaum geschlafen hatte. Wenigstens hatten die Bettler ihren Reisesack aus dem ›Walfisch‹ hierhergebracht, so dass sie sich ein halbwegs sauberes Kleid anziehen konnte. In Leinenrock und grauem Mieder fühlte sie sich wieder wie die einfache Schongauer Henkerstochter, die sie immer gewesen war. Was Simon jedoch nicht davon abhielt, sie zu behandeln, als käme sie gerade von einer rauschenden Ballnacht.
    »Schieb dir deine Principessa sonst wohin«, stieß sie böse hervor. »Dieses Gestichel kannst du dir in Zukunft sparen.«
    Mürrisch ging Magdalena mit der Salbe zu Simon hinüber und half, mit einer Pinzette die Maden aus dem Bein des schnarchenden Mathis zu entfernen, den sie zuvor mit einer gehörigen Portion Branntwein betäubt hatten. Simon hatte mit einem löchrigen Vorhang eine Nische abgetrennt, die ihnen nun als Behandlungszimmer diente. Dort gab es eine Pritsche mit einigen schmutzigen Wolldecken, einen wackligen Stuhl und einen Tisch, auf dem der Medicus seine wenigen Behandlungsinstrumente und Bücher ausgebreitet hatte.
    »Es ist doch nur, weil ich mir Sorgen mache«, murmelte Simon nach einer Weile, während er die Wunde weiter auswusch. »Es ist nicht gut, wenn du dich allein in Regensburg herumtreibst. Du siehst ja, zu was es führt, wenn man sich mit so einem zwergwüchsigen Provinzadligen einlässt.«
    »Ach ja, aber der Herr marschiert mir nichts dir nichts in ein Nest von Aufständischen und lässt sich von einem rebellischenFloßmeister das Blaue vom Himmel erzählen. Ist das etwa gut?«
    »Wenigstens wissen wir jetzt, warum dein Vater in diese Falle laufen sollte«, erwiderte Simon.
    Magdalena runzelte die Stirn. Simon hatte ihr von seinen nächtlichen Erlebnissen mit den Freien auf der Wöhrd-Insel erzählt. Trotzdem blieb sie skeptisch. Zu viele Fragen waren nach wie vor nicht geklärt.
    »Nur dass ich es richtig verstehe«, sagte sie und legte die Pinzette zur Seite. »Dieser Gessner von den Freien meint also, die Patrizier hätten meinen Vater mit einem Brief nach Regensburg gelockt, ein Testament gefälscht und die Wachen am Tatort postiert. Und das alles nur, um ihm einen Mord in die Schuhe zu schieben? Warum sollten sie so etwas tun? Sie hätten doch genauso gut einen Raubmord mit ein paar x-beliebigen Totschlägern vortäuschen können. So etwas kommt in jeder großen Stadt vor, da braucht man nicht meinen Vater den weiten Weg aus Schongau holen.«
    Simon stellte die Schüssel mit dem schmutzigen Wasser auf den Tisch und fing an, das Bein des Bettlers mit Fetzen halbwegs sauberer Tücher einzubandagieren. »Du hast recht, aufwendig ist das schon«, sagte er. »Aber so stellt wenigstens keiner Fragen. Die Patrizier wollten einen der obersten Freien ausschalten und keinen Verdacht erregen. Das ist ihnen ganz offensichtlich gelungen.«
    »Das klingt mir zu einfach«, murmelte Magdalena. »Irgendwo ist da ein Haken. Warum zum Beispiel ist das Baderhaus bis gestern Nacht bewacht worden? Irgendetwas muss dort drin gewesen sein.«
    »Die Apothekerkammer vom Hofmann war zerwühlt, als hätte ein Sturm darin gewütet«, erwiderte Simon nachdenklich. Er setzte sich auf den Schemel und rieb sich denSchweiß von der Stirn. »Da hat sicher jemand was gesucht …«
    »Vielleicht gab es ja einen Beweis, den jemand vernichten wollte«, warf Magdalena ein.

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