Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
du mich so fragst, eigentlich nicht. Du hast recht. Drei benutzte Teller waren ums Feuer verteilt, der vierte war mit einem sauberen Becher in einer der Satteltaschen verstaut.«
Jakob Kuisl kaute an seiner kalten Pfeife und fluchte noch einmal insgeheim, dass sie ihm ausgegangen war. »Das heißt, der vierte Mann war schon länger nicht mehr bei den anderen gewesen. Vielleicht war er ja in der Stadt.«
Hans Scheller zuckte mit den Schultern. »Wen kümmert’s schon, wo der vierte Mann war? Vielleicht hat er sich schon vorher aus dem Staub gemacht.«
Der Henker erzählte ihm vom Verdacht des Schreibers, dass irgendjemand die geheimen Routen der Händler ausgekundschaftet hatte. Der Räuberhauptmann nickte.
»Ich verstehe. Der vierte Mann treibt sich oben in der Stadt herum und berichtet seinen Kameraden nach und nach von den Routen. Die brauchen sich dann nur noch bedienen. Schließlich sind die Fuhrwerke nur schlecht bewacht, und die Händler befürchten nichts. Kein schlechter Plan.« Er grinste, und Kuisl sah, dass ihm die obere Reihe Zähne fast zur Gänze fehlte. »Könnte von mir sein.« Plötzlich hielt er inne. »Da fällt mir etwas ein.«
»Was?«
»Neben der Ledertasche, die du jetzt hast, lag an der Feuerstelle noch etwas anderes. Ein Fläschchen aus blauem Glas, sah recht vornehm aus. Als wir es öffneten, roch es wie der ganze verdammte französische Königspalast.«
Jakob Kuisl vergaß, weiter an seiner Pfeife zu ziehen. »Ein Parfum, meinst du?«
Scheller nickte. »Ja, genau, stank wie eine Blumenwiese im Frühling.«
»Und dieses Parfum ... « Der Henker wählte seine Worte vorsichtig. »Roch es vielleicht nach ... Veilchen?«
Scheller zuckte mit den Schultern. » Kenn mich mit diesem Zeugs nicht aus. Wir haben es über unsere Pferde gegossen, das Fläschchen hat der Springer am nächsten Tag in der Höhle zerdeppert, der blöde Esel.«
Jakob Kuisl dachte noch einmal nach, dann wandte er sich zum Gehen.
»Hab Dank, Scheller. Du hast mir sehr geholfen. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, werd ich dafür sorgen, dass es schnell geht. Versprochen.«
»Kuisl. « Hans Scheller hatte etwas Träumerisches in der Stimme. Der Henker drehte sich noch einmal um.
»Was ist, Scheller?«
Es schien, als würde der Räuberhauptmann nach Wortenringen. Schließlich fing er an zu sprechen. »Weißt du eigentlich, was ich gelernt hab, Henker?«
»Sag’s mir.«
»Ein Zimmermann bin ich gewesen. Ein guter, unten in Schwabmünchen. Aber dann haben die Schweden meine Frau geschändet und ihr den Hals aufgeschnitten. Meinen Bub haben sie mit dem Schädel gegen die Tür geschlagen, und das Haus haben sie mir angezündet. Ich bin in die Wälder gegangen. Und jetzt endet’s hier.« Er versuchte ein Lächeln. »An meiner Stelle, sag, was hätt’st du gemacht, Henker?«
Jakob Kuisl zuckte mit den Schultern. » Du hattest immer die Wahl.« Er ging zur Tür, wandte sich aber noch einmal um. »Das mit deiner Frau und dem Buben tut mir leid. Wenigstens seid’s bald wieder zusammen.«
Die Türe schloss sich, und Scheller blieb alleine mit seinen Gedanken. Hätte er es nicht vor langer Zeit verlernt, er hätte geweint wie ein Kind.
Draußen fegte Jakob Kuisl der Schneesturm mit spitzen Eiskörnern ins Gesicht. Er zog den Hut tiefer und stapfte gegen die weiße Wand an. Die Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, als würde auch in seinem Inneren ein Sturm toben.
Ein Parfum, das stinkt wie eine Frühlingswiese …
Hatte der Mann mit dem Veilchenduft den Räubern einen Besuch abgestattet? Oder war er der vierte Mann? Magdalena hatte ihm erzählt, dass der Fremde gemeinsam mit seinen Kameraden im Altenstadter Wirt gesessen habe. Hatten sie dort die Routen der Händler ausgekundschaftet? Aber, selbst wenn das stimmte, wie passte das alles mit dem Templerschatz zusammen? Der Henker fluchte, er brauchte endlich Klarheit.
Es sollte noch ein weiterer Tag vergehen, bis ihm der Herrgott jemanden schickte, der ihm half, wenigstens eines der Rätsel zu lösen.
Der Schneesturm brachte neue Kranke, so dass Simon tagsüber kaum dazu kam, sich über die Templer , geschweige denn über das Wessobrunner Gebet Gedanken zu machen. Von den zwei Fuhrleuten des Ratsherrn Matthias Holzhofer , die den Überfall überlebt hatten, hatten er und sein Vater nur einen retten können, der andere war ihnen noch am Abend unter der Hand weggestorben.
Auch sonst kamen sie kaum zur Ruhe. Die Stunden vergingen mit dem Anrühren neuer
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