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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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wurde.
    »He, Kuisl, das geht so nicht!«
    Jakob Kuisl warf ihm einen kleinen Beutel zu. »Nimm das und gib Ruh.«
    Der Büttel warf einen neugierigen Blick hinein. »Was ist das?«
    »Kautabak. Aus Westindien, dort, wo die Schlangen dick wie Eichenstämme sind. Kau, aber schluck ihn nicht. Er macht dich wach und warm.«
    Johannes zog sich mit seinem Bestechungsgeschenk zu einem Schemel in der Ecke zurück und schnüffelte an dem getrockneten Kraut. »Kauen, hm?« Noch einmal sah er den Henker an. »Aber zerquetsch dem Scheller nicht auch noch die andere Hand. Sonst verreckt er uns noch in der Feste, und ich bin schuld.«
    »Keine Sorge, ich weiß, was ich tue.«
    Der Henker näherte sich den hinteren Zellen, wo die Räuber einquartiert waren. Im Gegensatz zu seinem letzten Besuch machten sie diesmal einen apathischen Eindruck. Die Männer und Frauen kauerten in den Ecken auf fauligem Stroh, sie hatten ihre löchrigen Mäntel über sich gebreitet und versuchten sich in der Januarkälte gegenseitig zu wärmen. Zwischen ihnen lag der fiebernde Knabe, er zitterte am ganzen Leib. Der Wind pfiff durch das vergitterte Fenster hinter ihnen. Neben den Räubern lag eine Schüssel mit verschimmeltem Brot und ein offenbar leerer Krug Wasser. Der Eimer mit der Notdurft stank so stark, dass Jakob Kuisl unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Hans Scheller blickte ihn aus leeren Augen hinter den Gitterstäben an, sein kleiner rechter Finger sah aus wie ein Stück aufgeblasener Schafsdarm.
    »Du schon wieder«, flüsterte er. »Was willst denn noch?«
    Der Henker wandte sich plötzlich um. »Was ist das denn für ein Saustall hier!«, fuhr er den Stadtknecht Johannes an, der immer noch in das Studium des exotisch riechenden Krauts vertieft war. »Diese Menschen haben weder etwas zu essen noch zu trinken. Außerdem fehlen Decken und frisches Stroh! Willst du, dass sie vor der Hinrichtung verrecken?«
    Der Büttel zuckte mit den Schultern. »Du siehst doch selbst, was draußen für ein Wetter ist. Hab schon zweimal um Verpflegung gebeten, aber es kommt halt keiner.«
    »Dann gehst eben selbst.«
    »Jetzt?« Johannes machte ein verdutztes Gesicht. »Aber der Sturm ...«
    »Sofort.« Der Henker trat auf ihn zu und hob ihn am Kragen vom Schemel hoch, so dass der Büttel mit den Füßen in der Luft baumelte. Johannes’ Gesicht schwoll puterrot an, die Augen traten ihm aus dem Gesicht.
    »So wird sich der Scheller bald fühlen«, zischte Jakob Kuisl. »Und ich schwör bei Gott, du auch, wenn du nicht sofort tust, was ich sage. Frisches Wasser ,Brot, warme Decken. Hast du verstanden?«
    Der Büttel nickte, und Kuisl ließ ihn wieder herunter. »Und jetzt lauf.«
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, eilte Johannes nach draußen. Durch die geöffnete Tür der Feste drangen Schnee und Wind. Als der Henker sie wieder schloss, wurde es fast ruhig. Nur das leise Wimmern des Säuglings und das ferne Blasen des Sturms waren zu hören. Erstaunt blickte der Räuberhauptmann Jakob Kuisl an. Gerade wollte er zu einer Frage ansetzen, als ihn der Henker unterbrach.
    »Das Mittel für den Jungen, hat’s gewirkt?«
    Scheller nickte, noch immer sprachlos über das, was er gesehen hatte.
    »Warum machst du das?«, fragte er schließlich.
    Jakob Kuisl ging darauf nicht ein. »Ich hab mit dem Lechner geredet«, sagte er. »Kein Rädern, ein sauberes Erhängen. Die Frauen und Kinder gehen frei.«
    Auf Schellers Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, doch schon bald wurde er wieder ernst.
    »Wie lange noch?«, fragte er.
    Jakob Kuisl zog an seiner kalten Pfeife. »Wenn’s das Wetter zulässt, ist der Prozess schon in ein paar Tagen. Danach sind’s noch drei weitere Tage, so ist es der Brauch. Der Semer-Wirt stiftet die Henkersmahlzeit. Speck, Knödel, Kraut und jedem von euch einen Krug Muskateller, der euch auf dem letzten Gang wärmt.«
    Hans Scheller nickte. »Eine gute Woche also noch.« Er machte eine Pause. »Ist gut, dass es ein Ende hat«, sagte er schließlich. »War doch kein Leben mehr.«
    Der Henker ging darauf nicht ein und wechselte das Thema. »Ich muss dich noch was wegen der anderen Räuberbande fragen. Du hast gesagt, es seien vier gewesen. Vier Teller, vier Becher, vier Messer ...«
    Hans Scheller nickte. »Wie gesagt, der Vierte war vermutlich gerade im Wald beim Bieseln.«
    »Aber das vierte Geschirr«, fragte der Henker weiter. »War es schmutzig, sah es gebraucht aus?«
    Der Räuberhauptmann machte ein nachdenkliches Gesicht. »Wenn

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