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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Auge eines riesigen Fisches aussah. »Du weißt, dosis sola venenum facit . Allein die Dosis macht das Gift. Das wusste schon der alte Paracelsus. Hat dich der Henker schon den Paracelsus gelehrt, hä?«
    Magdalena nickte schnell, und das Männlein ließ es dabei bewenden. Nepomuk Biermann ging zu einer niedrigen Tür, die hinter der Ladentheke zum rückwärtigen Teil des Hauses führte, und winkte ihr, ihm zu folgen. »Komm schon, Mädchen, kannst mir wenigstens helfen, die Kräutlein zusammenzuklauben.«
    Magdalena eilte ihm nach und stand plötzlich in einer Kammer, die bis zur Decke mit Regalen und Schubläden vollgestellt war. Verteilt über den Raum, ragten in regelmäßigen Abständen hölzerne Wände hoch, in denen sich wiederum Regale befanden. Nepomuk Biermann huschte wie ein Derwisch durch die schmalen Gänge und zog hier und da einige beschriftete Schubladen auf. Dabei glich er den Inhalt der jeweiligen Schublade mit den Aufzeichnungen auf der Liste ab, holte mit einem Löffel eine Portion heraus und wog sie auf einer Waage, die in der Mitte auf einem Tisch mit Marmorplatte stand.
    »Mutterkorn, Artemesia … «, murmelte er. »Wo hab ich nur den verdammten Seidelbast ...? Ah, hier ist er ja.«
    Als Biermann sah, wie Magdalena mit großen Augen zwischen den mannshohen Regalen stand, musste er lächeln.»Na, so was hast du noch nicht gesehen, nicht wahr?« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Das ist die größte Kräutersammlung von hier bis ins ferne München, das kannst du mir glauben. Nicht mal der ehrwürdige Paracelsus hat vermutlich so eine Apotheke gehabt.«
    Gerade hatte er eine neue Schublade aufgezogen, als wieder die feine Klingel im vorderen Ladenbereich ertönte. Verärgert hielt Biermann inne. »Du entschuldigst mich«, sagte er zu Magdalena, drückte ihr den Beutel mit den bereits abgewogenen Kräutern in die Hand und eilte mit krummem Buckel hinaus. »Ich bin gleich wieder da.«
    Die Henkerstochter blieb zurück und schaute verwundert auf das Labyrinth aus duftenden Gängen.
    Es war die Stimme, die sie aufhorchen ließ. Eine befehlsgewohnte und deutlich verärgerte, männliche Stimme. Im Raum nebenan sprach jemand mit dem Apotheker, und es war kein freundliches Gespräch. Aus purer Neugierde trat sie neben die Tür zum Ladenbereich, so dass sie das Gespräch belauschen konnte.
    »Ich brauche noch einmal das Gleiche, das ich schon einmal bei Euch bekommen habe«, zischte der Fremde.
    »Das ... das Gleiche?«, fragte Nepomuk Biermann. »Ihr wisst, es ist schwer zu bekommen. Und eigentlich darf ich es gar nicht verkaufen. Das ... es kann mich mein Geschäft kosten.« Magdalena spürte, dass der Apotheker Angst hatte. Vorsichtig presste sie sich an die Wand, um besser hören zu können.
    »Ich zahle gut«, sagte der Mann. Das Geräusch klimpernder Münzen war zu hören. »Ich verlasse mich allerdings darauf, dass es diesmal richtig wirkt. Das letzte Mal trat der Tod viel zu schnell ein. Diesmal muss es langsam geschehen, man darf nichts merken, sonst ...«
    »Ihr dürft es nur in kleinen Dosen verwenden« ,versicherte Nepomuk Biermann. »Nur in kleinen Dosen, dann wird niemand Verdacht schöpfen, das schwör ich bei Gott!«
    »Dann schwört auf den Heiland«, sagte der Fremde und gab ein krächzendes Lachen von sich. »Deus lo vult. «
    Es waren diese letzten Worte, die Magdalenas Atem einen Moment lang aussetzen ließen. Die gleichen Worte, die der Mann in der Krypta zu ihrem Vater gesagt hatte, kurz bevor sie ihn niederstachen.
    War es etwa auch der gleiche Mann?
    Magdalena wusste, dass es gefährlich war. Trotzdem schob sie ihren Körper immer näher an die Türöffnung heran. Als sie direkt danebenstand, drehte sie langsam den Kopf und spähte in den vorderen Ladenbereich. Von hier aus sah sie zwar nur einen winzigen Ausschnitt genau über der Theke, doch das reichte, um ihr das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
    Magdalena erhaschte einen Blick auf eine schwarze Kutte, über der an einer goldenen Kette ein goldenes Kreuz mit zwei Querbalken baumelte. Jetzt erst merkte sie, dass sich über all die exotischen Gerüche in der Apotheke ein neuer gelegt hatte.
    Der Geruch von Veilchen.
    »Ich brauche noch etwas anderes«, sagte der Fremde und kratzte sich ausgiebig an der Brust. »Quecksilber. So viel, wie Ihr beschaffen könnt.«
    Nepomuk Biermann nickte. »Ich ... verstehe. Gebt mir bis morgen Zeit. Morgen ...«
    »Ich werde morgen früh wieder hier sein«, unterbrach ihn der Mann.

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