Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
gemacht, und ... «
»Ihr habt’s was ? « Jakob Kuisl saß plötzlich kerzengerade auf seinem Stuhl.
»Unterbrich mich bitte nicht«, sagte Lechner und blickteden Henker vorwurfsvoll an. »Wie gesagt, wir haben der Bande heute Vormittag im Ballenhaus den Prozess gemacht. Eine Sache von einer Viertelstunde. Deine Anwesenheit war nicht nötig.«
»Und Bürgermeister Semer?«
»War unterrichtet und mit der Prozedur einverstanden. Die Hinrichtung ist auf den kommenden Samstag festgesetzt, also in drei Tagen.« Lechner räusperte sich. »Leider habe ich mich mit der von dir vorgeschlagenen Hinrichtungsart nicht durchsetzen können. Du wirst den Scheller wohl doch rädern müssen.«
Jetzt hielt es Jakob Kuisl auf dem Schemel nicht mehr aus. »Aber Ihr habt’s mir Euer Wort gegeben!« Er sprang so heftig auf, dass der Stuhl krachend nach hinten umfiel. »Ich steh beim Scheller in der Schuld!«
Der Schreiber schüttelte den Kopf, als würde er mit einem kleinen Buben reden. »Ich bitte dich, Kuisl! In der Schuld, bei einem Räuberhauptmann!« Er deutete auf den umgefallenen Stuhl. »Jetzt setz dich gefälligst wieder hin. Es gibt noch einiges zu besprechen.«
Jakob Kuisl atmete tief durch und blieb mit verschränkten Armen stehen.
»Glaub mir«, fuhr Lechner fort. »Es ist für die Stadt das Beste. Wir müssen ein Exempel statuieren. Sämtliche Räuberbanden von hier bis Landsberg werden den Scheller schreien hören. Das wird ihnen eine Lehre sein. Außerdem ... « Er klopfte mit dem Gänsekiel auf die Pergamentseiten. »Die Hinrichtung wird wieder Geld in den Schongauer Stadtsäckel spülen. Wir werden ein Fest ausrichten, mit Tanz, Musik, Glühwein und gebrannten Nüssen. Die Leute brauchen eine Abwechslung nach den kalten Tagen und der Angst vor diesen Überfällen.« Er blätterte in den Seiten der Kladde. »Du siehst, es gibt einiges zu tun. A priori muss der Hinrichtungsplatz gereinigt werden, ein Balken ist morsch, ich hab das schon überprüft. Außerdem brauchenwir unten am Platz Galgen, mindestens drei. Und überdachte Bänke für die Patrizier, damit sich die hohen Herren nicht den Hintern abfrieren. Ich fürchte, die Jagd auf die andere Räuberbande wird noch ein wenig warten müssen.«
Der Henker hatte den Ausführungen Lechners stoisch zugehört, erst jetzt rührte er sich wieder.
»Was ist mit den Kindern und den Frauen?«, fragte er.
Der Schreiber Lechner nickte. »Kommen frei, wie versprochen. Wir hängen nur die Männer und jungen Burschen, der Scheller wird gerädert. Glaub mir, es gab durchaus Leute im Rat, die auch die Frauen und Kinder hängen wollten.«
Er lächelte Kuisl an. »Du siehst, ich komme dir entgegen. Und jetzt mach dich an die Vorbereitungen. Bis Samstagmittag muss alles fertig sein.«
Mit einem Kopfnicken entließ er den Henker, der wie in Trance auf den Ausgang zusteuerte. Als Jakob Kuisl die Tür hinter sich geschlossen hatte, seufzte der Schreiber. Er würde diesen Sturkopf Kuisl nie verstehen! Das Rädern brachte dem Scharfrichter gut und gern dreißig Gulden ein, trotzdem machte er ein Gesicht, als müsste er seine eigene Tochter zum Schafott führen. Lechner blickte der großen Gestalt vom Fenster aus nach. Ein seltsamer Mann, dieser Henker, dachte er. Stark, mit kristallklarem Verstand, aber für seinen Beruf viel zu rührselig.
Und eindeutig zu neugierig.
Noch einmal zog Lechner den Brief aus feinstem Bütten unter dem Tisch hervor. Das Schreiben war heute früh gekommen, und das Siegel zeigte ihm, dass der Bote vor einigen Tagen tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte. Jemand sehr Mächtiges wollte den Henker mit allen Mitteln von seinen Erkundigungen in Altenstadt abhalten.
Johann Lechner warf noch einen letzten Blick auf das Siegel, um seine Echtheit zu überprüfen, dann hielt er den Brief über eine Kerze auf dem Tisch. Flackernd fraßen sich dieFlammen durch das dünne Papier, bis nur noch Asche übrig war. Die Anweisungen im Brief waren klar gewesen. Keine Beweise, keine schriftlichen Unterlagen, nichts sollte übrig bleiben, was den Auftraggeber hätte verraten können.
Johann Lechner zählte die frisch geprägten Münzen ab, die mit dem Brief gekommen waren. Das Geld würde der Stadt guttun, genauso wie die Hinrichtung. Wieder einmal war der Schreiber mit sich und der Welt im Reinen.
Simon und Benedikta erreichten Schongau am frühen Abend. Auf dem gesamten Rückweg hatten sie sich Gedanken gemacht über den seltsamen Spruch, aber auch über den
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