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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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geben!« Benedikta brach das Schweigen und schritt auf die Linde zu. Dabei legte sie den Kopf in den Nacken. »Vielleicht weiter oben. Ich schlage vor, ich suche hier unten, und Ihr klettert hinauf in die Kronen.«
    »In die Kronen?« Simon folgte ihrem Blick nach oben. »Das sind gut und gern vierzig Fuß! Ich werde mir den Hals brechen.«
    »Ach was!« Benedikta schüttelte den Kopf. »Ihr müsst ja nicht ganz nach oben. Schließlich ist es schon einige hundert Jahre her ,dass dieser Templer hier etwas versteckt hat. Damals war der Baum noch nicht so hoch. Also, allez hop! «
    Gebückt begann sie, die Wurzel- und Astlöcher am Grund der Linde abzusuchen. Simon stand noch einen Moment unschlüssig herum, schließlich machte er sich seufzend daran, einen Einstieg in den Baum zu finden.
    Die Rinde war vereist und glitschig, immer wieder glitt er ab. Doch endlich hatte er Halt zwischen den Stämmen gefunden. Er zog sich hoch und hangelte sich dann vorsichtig von einem Ast zum nächsten, wobei er immer wieder Rast machte, wenn er auf ein Astloch traf. Während er sich mit einer Hand festhielt, tastete er mit der anderen das Innere des Lochs ab. Er stieß auf nasses, glitschiges Laub, auf Eicheln und Bucheckern, die Eichhörnchen als Wintervorrat dort abgelegt hatten, und auf eine Handvoll schleimiger Pilze.
    Sonst fand er nichts.
    Die Krähe war wieder aufgetaucht. Sie hatte sich auf einem nahen Ast niedergelassen und beobachtete von dort aus neugierig den Zweibeiner, der offenbar in den Astlöchern nach Futter suchte. Simon kam sich vor wie ein kleiner Bub, dem Spielkameraden einen Schatz versprochen hatten und der jetzt merkte, dass er hereingelegt worden war.
    »Das führt doch zu nichts!«, rief er nach unten. »Selbst wenn der Templer hier etwas versteckt haben sollte, dann haben das längst Raben oder Elstern mitgenommen!« Er blickte nach unten, wo Benedikta weiter den Boden absuchte.
    »Schaut auch bei den anderen Stämmen!«, rief sie hoch zu ihm. »Wir dürfen nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben!«
    Simon seufzte. Warum ließ er sich nur immer von den Weibern herumkommandieren? Schließlich hangelte er nach einem armdicken Ast, der hinüber zum zweiten Stamm führte. Er griff danach und schob sich langsam vorwärts. Benedikta kam ihm plötzlich sehr weit weg vor ,ein kleiner bunter Punkt unter ihm, fast verschluckt vom Weiß des Schnees. Simons Hände krallten sich fester um den vereisten Ast. Wenn er jetzt fiel, würde sein Kopf unten aufschlagen und zerplatzen wie ein nasser Schneeball.
    Endlich hatte er den zweiten Stamm erreicht. Von hier aus ging es höher in die Krone. Die Äste machten einen starken Eindruck, er kletterte weiter nach oben, so weit, bis er schließlich das gesamte Tal überblicken konnte.
    In der Ferne leuchtete der Ammersee, dahinter konnte er auf einem Hügel ganz winzig das Kloster Andechs erkennen. Auf der anderen Seite ragte der Hohe Peißenberg aus der flachen Landschaft hervor, ein Vorbote der Alpen, die weit entfernt zwischen den Wolken nur gelegentlich kurz aufschimmerten. Simons sah wieder hinüber zum Kloster und schließlich über den Klosterwald. Entlaubte Buchen, schneebedeckte Tannen, ein Mann in den Zweigen … Ein Mann?
    Simon blinzelte, doch er hatte sich nicht getäuscht. Auf dem Ast einer Tanne, nur zwanzig Schritt entfernt, saß ein Mann und beobachtete ihn.
    Auf den Oberschenkeln des Fremden lag eine gespannte Armbrust. Er trug einen Schlapphut und einen ledernen Waffenrock, an dem ein schwerer Dolch oder Hirschfänger baumelte. Als er Simons Blick bemerkte, tauchte er ein ins Gestrüpp und war verschwunden.
    Simon war so perplex, dass es ihm zunächst die Stimme verschlug. Kurz glaubte er, ein Gespenst gesehen zu haben. Als er sich wieder beruhigt hatte, beugte er sich so weit wie möglich nach unten.
    »Benedikta, dort vorne! Ein Mann in den Zweigen! Wir werden be...«
    Der Ast unter Simon brach wie ein morscher Knochen. Er spürte, wie Zweige an seinem Gesicht vorbeistrichen, sein Herz machte einen Sprung. Erst mit einiger Verzögerung realisierte er, dass er tatsächlich fiel. Er griff wild um sich, in der Hoffnung, irgendeinen Ast zu erwischen. Die Welt um ihn herum war ein wirbelndes Chaos aus Himmel, Erde und peitschenden Zweigen.
    Plötzlich ertönte ein reißendes Geräusch, und Simons Sturz wurde abrupt aufgehalten.
    Gut zehn Fuß über dem Erdboden hing er fest, baumelnd wie eine Marionette. Als Simon nach oben blickte, sah er, dass ein spitzer Ast seinen

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