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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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ihn die Worte der Gesellen wieder an Magdalena denken lassen. Ob sie schon auf dem Heimweg von Augsburg war? Vielleicht hatte ihr Vater ja Nachricht von ihr. Außerdem sehnte Simon sich nach einem Becher starken Kaffees. Zu Hause warteten auf ihn nur Arbeit und ein nörgelnder Vater, der von den ständigen Ausflügenseines Sohnes langsam die Nase voll hatte. Simon hatte Anna Kuisl beim letzten Besuch ein kleines Säcklein Kaffeebohnen dagelassen. Vielleicht würde die Henkersfrau ihm ja sein Lieblingsgetränk brauen? Simon beschloss, den Schongauer Scharfrichter aufzusuchen.
    Schon nach kurzer Zeit stand der Medicus unten im Gerberviertel vor dem Haus der Kuisls. Er klopfte an die Tür. Als ihm Anna Kuisl öffnete, sah er sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Das Gesicht der sonst so lebhaften Frau war bleich und eingefallen.
    »Gut, dass du kommst«, sagte sie und winkte Simon herein. »Vielleicht kannst du ihn ja ein wenig aufmuntern. Er fängt mal wieder mit dem Saufen an.«
    »Warum?« Simon zog seinen klammen Mantel und den zerrissenen Rock aus und hängte beides neben den Ofen zum Trocknen.
    Anna Kuisl musterte schweigend das ruinierte Gewand, dann suchte sie in der Tischschublade nach Nadel und Faden. »Der Lechner sagt, dass mein Mann den Scheller rädern muss«, sagte sie, während sie anfing, den Riss zu nähen. »Schon in drei Tagen soll’s so weit sein. Dabei hat der Jakob dem Räuberhauptmann sein Wort gegeben! Eine Saubande ist das dort oben! Haben Geld wie andere Leute Heu und scheren sich trotzdem einen Dreck um Ehre und Anstand!«
    Der Medicus nickte. Mittlerweile kannte er die Saufexzesse des Henkers. Regelmäßig vor den Hinrichtungen begann Kuisl, sich hemmungslos zu betrinken. Bei der Urteilsvollstreckung war er dann erstaunlicherweise wieder komplett nüchtern.
    Simon ließ Anna Maria Kuisl weiterschimpfen und ging hinüber in die Kammer, wo der Henker mit glasigen Augen an der Galgenleiter lehnte und vor sich hin brütete. Der süße Geruch von ausgeschwitztem Alkohol waberte durch den Raum. Auf dem Tisch lagen ein paar aufgeschlagene Bücherneben einer offenen Flasche Branntwein, in einer Ecke der Kammer glitzerten die Scherben eines zerschlagenen Bierkrugs. Matter Feuerschein beleuchtete das düstere Gesicht Jakob Kuisls, der gerade wieder zu einem gewaltigen Schluck ansetzte.
    »Sauf mit oder lass mich allein«, sagte er und donnerte die Flasche zurück auf den Tisch. Simon führte das dickbauchige, tönerne Gefäß zum Mund und nippte daran. Er schmeckte Hochprozentiges, das der Henker wohl aus den vergorenen Äpfeln und Birnen seines Obstgartens gewonnen hatte. Vermutlich waren auch noch einige Kräuter darin, von denen der Medicus lieber nichts wissen wollte.
    »Wir haben ein neues Rätsel in Wessobrunn gefunden«, sagte Simon unvermittelt. »Einen Spruch in einer Linde. Ich dachte, dass Ihr Euch vielleicht darauf einen Reim machen könnt.«
    Jakob Kuisl rülpste laut und wischte sich über den Mund. »Wen schert’s? Aber sei’s drum, kannst ihn ja ohnehin nicht für dich behalten, deinen Spruch. Also spuck ihn schon aus.«
    Simon lächelte. Er kannte die Neugierde des Henkers, auch im besoffenen Zustand.
    »Er lautet: ›In gremio Mariae eris primus et felicianus.‹
    Jakob Kuisl nickte, dann übersetzte er laut. »Im Schoße Mariens wirst du der Erste und auch ein Glücklicher sein.« Er lachte laut auf. »Ein frommes Sprüchlein, mehr nicht! Das kann nicht der Hinweis sein.«
    Mit stierem Blick griff der Riese erneut zur Flasche. Ein Anblick, den Simon nur schwer in Einklang bringen konnte mit der anderen, der feinfühligen, gebildeten Seite Kuisls. Es gab immer wieder Leute, die erstaunt waren, dass der Scharfrichter auch im volltrunkenen Zustand noch Latein konnte. Sie wären noch erstaunter gewesen, hätten sie einen Blick in die Bibliothek des Henkers geworfen, wo neben deutschen und lateinischen sogar griechische Werke standen.Einige davon stammten von Gelehrten, die den meisten Universitäten hierzulande gänzlich unbekannt waren.
    »Aber es muss das nächste Rätsel sein!«, warf Simon ein. »Er hat seinen Namen daruntergeschrieben. Friedrich Wildgraf, Anno Domini 13 28. Also ein Jahr vor seinem Tod!«
    Jakob Kuisl rieb sich die Schläfen, um kurzzeitig nüchterner zu werden. »Es ist jedenfalls kein Bibelsprüchlein, das ich kenne«, knurrte er. »Und ich kenn die meisten. Du glaubst gar nicht, wie fromm die Leut werden, wenn’s ans Sterben geht. Alles hab ich schon

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