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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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nun fast einem Jahr gemeinsam erlebt hatten. Er hatte dieses Mädchen aus der Hand eines Teufels befreit, er hatte sie schon einmal von schwerem Fieber geheilt – sollte er jetzt tatenlos zusehen, wie sie ihm unter der Hand wegstarb? Ein paarmal öffnete sie auf dem Krankenbett kurz die Augen. Als Clara ihn sah, lächelte sie und murmelte irgendetwas Unverständliches im Schlaf, dann dämmerte sie wieder weg. Simon wechselte die Quarkwickel an Claras Füßen und strich ihr den Schweiß von der Stirn, ansonsten saß er abwechselnd mit den Schreevogls an ihrem Bett. Maria Schreevogl betete derweil ohne Unterlass einen Rosenkranz nach dem anderen.
    Ave Maria, der Herr ist mit dir …
    Am zweiten Tag schien sich Claras Zustand etwas gebessert zu haben. Simon wusste aus Erfahrung, dass der Höhepunkt der Krankheit nach etwa zwei Tagen eintrat. Dass das Fieber jetzt zurückging, war ein gutes Zeichen.
    Es war Jakob Schreevogl, der ihn schließlich aufforderte, etwas Abwechslung zu suchen.
    »Ich glaube, Ihr könnt hier nichts mehr tun, Simon«, sagteer, während er gemeinsam mit dem Medicus auf dem Bettrand saß. »Meine Frau und ich danken Euch für Eure Anteilnahme. Ihr solltet jetzt nach Rottenbuch reiten, wie Ihr es geplant hattet.« Er stand auf und streckte sich. »Aber nehmt besser den Henker mit. Nach allem, was Ihr erzählt habt, seid Ihr dort draußen nicht alleine.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Ihr vergesst, dass der Scheller morgen seinen großen Tag hat. Der Kuisl muss ihn rädern, und bis zur Hinrichtung sind wir sicher nicht zurück.« Er erhob sich mit steifen Gliedern und sah aus dem Fenster des Krankenzimmers in das leichte Schneetreiben, das die Stadt seit heute früh wieder hinter einer weißen, wirbelnden Wand verschwinden ließ. »Eigentlich wäre ich froh, wenn ich an einem solchen Tag nicht in Schongau sein muss«, sagte er. »Wir können nur hoffen, dass das Wetter schlecht bleibt. Das würde dem Lechner einen Strich durch die Rechnung machen, denn dann fällt wenigstens sein Fest aus.«
    Jakob Schreevogl blickte nun ebenso in das Weiß draußen vor dem Fenster. »Ihr wisst, ich habe mich im Rat gegen das Rädern ausgesprochen. Es ist ... bestialisch, ein Überbleibsel aus einer Zeit, von der ich dachte, das wir sie hinter uns gelassen haben. Aber der Krieg hat uns offenbar wieder zu Tieren werden lassen.« Er seufzte. »Als Ratsherr muss ich leider der Hinrichtung beiwohnen, wahrscheinlich bin ich einer der wenigen, denen das Spektakel keine Freude bereitet.« Der Patrizier winkte Simon aus dem Zimmer, wo neben Claras Krankenbett immer noch die betende Maria Schreevogl kniete. Auf dem Weg die Treppe hinunter hielt der Ratsherr Simon noch einmal an der Schulter fest.
    »Ich habe über das nachgedacht, was Ihr mir erzählt habt. Auch über diesen Spruch, den die Männer in der Krypta geflüstert haben. Dieses ›Deus lo vult‹ . Lange habe ich überlegt, woher ich diesen Spruch kenne.«
    »Und?«, fragte Simon.
    »Gestern Nacht ist es mir wieder eingefallen. Es ist der Spruch, mit dem die Kreuzritter damals in den Krieg zogen. Ihr Kampfruf in der Schlacht gegen die Ungläubigen. ›Gott will es.‹ Damit entschuldigten sie all ihre Massaker an den Sarazenen. Weil Gott es so wollte …«
    Simon schüttelte den Kopf. »Ein alter Kreuzfahrerspruch auf den Lippen von Meuchlern und Banditen. Was für Verrückten sind wir da nur auf der Spur?«
    Er zögerte. »Kennt Ihr eigentlich den Augsburger Bischof? «, fragte er schließlich.
    »Den Augsburger Bischof?« Der Ratsherr runzelte die Stirn. »Nun, ich habe ihn ein- oder zweimal in der Reichsstadt bei größeren Empfängen gesehen. Ein junger ehrgeiziger Mann, sagt man. Sehr bibeltreu soll er sein, manche bezeichnen ihn sogar als bigott.« Schreevogl lächelte leise. »Der Papst wird schon wissen, warum er gerade nach Augsburg, in diesen Sündenpfuhl voller Protestanten, einen seiner strengsten Hirten schickt. Aber warum fragt Ihr?«
    Simon zuckte mit den Schultern. »Nichts. Eine Ahnung, nichts weiter. Vermutlich ist es kompletter Unsinn.«
    Jakob Schreevogl drückte ihm fest die Hand. »Seid auf alle Fälle wachsam. Und da ist noch etwas …«
    »Ja?«
    »Dieser Friedrich Wildgraf. Irgendwo habe ich seinen Namen schon einmal gelesen.« Der Patrizier biss sich auf die Lippen. »Wenn ich nur wüsste, wo!«
    Simon nickte. »Mir geht es ähnlich. Es ist, als würde ein Gespenst durch meinen Kopf spuken. Aber immer wenn ich versuche, es festzuhalten,

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