Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
löst es sich in Rauch auf. Ich glaube, es hat etwas mit diesem kleinen Büchlein über die Templer zu tun, das Ihr mir gegeben habt. Könnt Ihr es noch zwei Tage entbehren?«
»Sicher«, sagte der Patrizier. »Wenn nur meine Clara wieder gesund wird.« Sie waren mittlerweile unten an der Türangelangt. Schneeflocken trieben über die Schwelle ins Innere des Hauses.
»Ich wünsche Euch viel Glück. Geht mit Gott!«
Jakob Schreevogl sah Simon noch einmal fest in die Augen und schloss dann die Tür. Der Medicus wandte sich zum Gehen. Plötzlich stutzte er.
Unten auf der Straße stand Benedikta. Sie hatte ihr Pferd bepackt und aufgezäumt und winkte wie zum Abschied.
Magdalena starrte nach oben zum gütig blickenden Jesus an der Decke, aber der konnte ihr auch nicht weiterhelfen. Die Zeit zerrann wie zähes Pech. Seit drei Tagen war sie nun in dieser Kapelle eingesperrt. Drei Tage des Wartens, Fluchens und gelegentlichen Weinens. Am Anfang hatte sie ständig über Flucht nachgedacht, doch das einzige Fenster, drei Schritt über dem Altar, war nur handtellergroß und außerdem aus einer Art durchsichtigem Stein gefertigt.
Magdalenas anfängliche Schreie waren ungehört an den Wänden der Kapelle verhallt. Die Tür erwies sich als massiv, ausgestattet mit einem Schloss und einem zusätzlichen Riegel. In Kopfhöhe befand sich eine Luke, durch die ihr Kerkermeister, der Mönch, in regelmäßigen Abständen einen Blick warf.
Überhaupt war Bruder Jakobus der einzige Gesprächspartner, den sie in diesen drei Tagen hatte. Er brachte ihr Essen und Trinken, versorgte sie mit Decken, und er schaffte auch täglich den Eimer weg, in den sie in einer Ecke unter den Augen aller Erzengel und Evangelisten ihre Notdurft verrichten musste. Bevor Jakobus die Kapelle betrat, öffnete er jedes Mal die Luke in der Tür. Magdalena musste sich in Sichtweite in eine der Gebetsbänke setzen, erst dann schob er den Riegel beiseite. Auf diese Weise sollte es ihr unmöglich sein, ihn beim Eintritt in das Gewölbe zu überwältigen. Den Plan, den Mönch später in der Kapelle anzugreifen, hatte sie bald wieder verworfen. Der Mönch war hager, aberausgesprochen zäh und muskulös. Außerdem trug er immer den Dolch an seiner Seite, von dem Magdalena vermutete, dass er vergiftet war.
Anfangs hatte sie sich geweigert, mit ihm mehr als nur ein paar Worte zu wechseln, obwohl Bruder Jakobus mehrmals versuchte, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Doch mit der Zeit war ihr in der zugigen Kapelle immer langweiliger geworden. Sie kannte mittlerweile die Deckengemälde auswendig; sie wusste, wie viele Schritte es vom Altar zur Tür und von dem Marienschrein zum Altar waren. Das einzige Buch, das ihr zur Verfügung stand, war ein zerfleddertes Gotteslob mit katholischen Kirchenliedern, das sie bereits anfing, auswendig zu lernen.
Am zweiten Tag ließ sie sich schließlich auf die meist endlosen bigotten Ausführungen des Mönchs ein, die vor Zitaten aus der Bibel strotzten. Bruder Jakobus begegnete ihr mit einer Mischung aus Verachtung, Hass und... ja, Verehrung. Eine Mischung, die Magdalena mehr und mehr verwirrte. Oft strich Jakobus ihr durchs Haar, um im nächsten Moment wieder wütend zwischen den Kirchenbänken auf und ab zu marschieren. Mehr als einmal hatte sie Angst gehabt, er könnte ihr in einem Anfall plötzlichen Wahnsinns die Kehle durchschneiden.
»Es wart ihr Frauen, die das Übel über die Welt gebracht haben!«, dozierte er mit erhobenem Zeigefinger. »Ihr aßt den Apfel, seitdem leben wir in Sünde!«
»Ach, und Adam stand nur dabei und sah zu?« Magdalena konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen. Doch schon im nächsten Moment bereute sie es. Bruder Jakobus trat nahe an sie heran und fasste ihren Kopf wie einen reifen Kürbis zwischen beide Hände, als wollte er ihn zerquetschen.
» Sie hat ihn überredet, verstehst du?«, murmelte er. »Adam war nur einen Moment lang schwach, doch Gott duldet keine Schwäche. Nicht für einen Augenblick. Er hat uns alle bestraft! Uns alle !«
Wieder konnte sie sein süßliches Parfum riechen. Erst jetzt fiel Magdalena auf, dass hinter dem Duft von Veilchen noch ein anderer Geruch lag, ein fauler, penetranter Odem. Der ganze Körper des Mönchs roch wie ein Stück verrottetes Fleisch. Bruder Jakobus stank aus dem Mund wie eine Kloake, schwarze Stummel standen schräg im eitrigen Zahnfleisch; auf seiner weißen Tunika, die er unter dem schwarzen Kapuzenmantel trug, zeichneten sich nasse Flecken
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