Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
schneller schlagen ließ. Hilfe war nah! Er sandte ein Stoßgebet gen Himmel und küsste das goldene Kreuz an seiner Brust.
Gott hatte ihn nicht im Stich gelassen.
»Ihr seid mir eine Erklärung schuldig«, sagte Augustin Bonenmayr.
Der Steingadener Abt trug seinen Kneifer auf der Nase und blickte wie ein erzürnter Schullehrer auf Simon herab, der mit offenem Mund vor ihm stand. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, betrat der Abt das Herbergszimmer und schloss die Tür hinter sich. Benedikta saß betreten auf dem Bett. Draußen begannen die Glocken zu läuten.
»Als mir der Propst nach Eurem eiligen Verschwinden von der armen Madame de Bouillon erzählte, deren Kinder unheilbar erkrankt seien, habe ich mich verständlicherweise sehr gewundert!«, sagte Augustin Bonenmayr. Er begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich fragte mich, warum eine Landsberger Händlerin, deren Bruder gestorben ist, plötzlich eine solche Geschichte erzählt.« Er wandte sich Benedikta zu. »Oder seid Ihr etwa diese Madame de Bouillon und Ihr habt mich damals angelogen? Sprecht!« Benedikta schüttelte nur schweigend den Kopf.
»Hochwürden, lasst Euch erklären ... «, begann Simon, wurde aber sofort wieder von Bonenmayr unterbrochen.
»Mein Erstaunen ging über in Misstrauen, als vor einer halben Stunde die Gebeine des heiligen Felicianus auf derart teuflische Art und Weise geschändet wurden, wie es diese Welt noch nicht gesehen hat!« Der Abt schüttelte den Kopf, als hätte er soeben in den Schlund der Hölle geschaut. »Die Schändung von ebenjenen Gebeinen, die Madame Bouillon und ihr treuer Begleiter noch heute Vormittag besichtigen wollten. Was für ein verblüffender Zufall!« Bonenmayr sah von einem zum anderen. »Sagt also, was für ein Spiel wird hier gespielt? Raus damit, bevor ich vergesse, dass unser aller Heiland Liebe und Vergebung gepredigt hat!«
Simon schluckte. Krampfhaft überlegte er, wie sie sich aus dieser Schlinge wieder herauswinden konnten. Wahrscheinlich standen unten schon die Rottenbucher Büttel und warteten darauf, sie ins Verlies zu sperren. Was dann folgte, war so sicher wie das Amen in der Kirche, nämlich Folter und eine Hinrichtung, die der von Hans Scheller in nichts nachstand. Schändung von Reliquien! Vermutlich würde ihnen der Henker den Bauch aufschneiden, die Eingeweide vor ihren Augen herausziehen und ihre Körper hinterher bei lebendigem Leib verbrennen.
Im gleichen Moment fiel Simon ein, dass dieser Henker wohl Jakob Kuisl sein würde! Seit dem Tod des alten Rottenbucher Scharfrichters war der Schongauer Henker auch für diesen Distrikt zuständig. Kuisl würde sie beide mit leeren, traurigen Augen ansehen, vielleicht noch den Kopf schütteln und sie dann wie einen Haufen Schlachtabfälle in einer Tierhaut zum Scheiterhaufen zerren.
Und Magdalena würde zusehen …
Doch vielleicht gab es ja doch einen Ausweg. Der Medicus beschloss, alle Karten auf den Tisch zu legen. Er sah zu Benedikta hinüber, die noch immer auf dem Bett saß. Sie nickte fast unmerklich.
»Es ist anders, als Ihr denkt«, begann er. »Diese Frau hier ist wirklich die Schwester von Andreas Koppmeyer. Ihr Bruderhat eine Entdeckung gemacht, die ihm vermutlich das Leben gekostet hat...«
Dann erzählte Simon dem Steingadener Abt die ganze Geschichte. Er fing beim Tod des Altenstadter Pfarrers an, berichtete von der Krypta und den Rätseln und äußerte seinen Verdacht, dass sie dem sagenhaften Schatz der Templer auf der Spur waren. Er schüttete dem Abt sein Herz aus und legte seine Zukunft in dessen Hände.
Bonenmayr setzte sich während der Erzählung auf den einzigen Schemel im Zimmer und hörte aufmerksam zu. Als Simon geendet hatte, sagte er lange Zeit nichts. Draußen läuteten noch immer die Glocken. Schließlich wandte Bonenmayr sich an den Medicus.
»Rätsel, die zu einem Schatz führen sollen, der seit Jahrhunderten gesucht wird!« Er schüttelte den Kopf. »Simon, entweder Ihr seid verrückt oder das ist die größte Lüge, die je aus dem Mund eines überführten Ketzers gekommen ist.«
»Es ist alles wahr!«, rief Simon. »So wahr mir Gott helfe!« Zum Beweis nahm er das Schwert vom Bett und reichte es Bonenmayr. Dieser ließ die Klinge durch seine Finger gleiten und las die Inschrift.
»Heredium in baptistae sepulcro ... «, murmelte der Abt. »Das Erbe im Grab des Täufers ...«
Er sah auf. »Das beweist noch nichts. Ein Sinnspruch auf einem Schwert, mehr nicht. Und überhaupt, wer sagt mir,
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