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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Menschenfett, Menschenleder und dem Verkauf von immerhin acht Diebesdaumen hätte sich ein gutes Geschäft machen lassen.
    Immer heftiger brandete die Menge gegen den mit Seilen nur notdürftig umzäunten Hinrichtungsplatz an. Jakob Kuisl sah in geifernde, von Hass verzerrte Münder, er blickte in vom heißen Gewürzwein gläserne, gierige Augen.
    Ich schau in einen Abgrund, dachte er.
    Noch immer wurden Schneebälle und Eisbrocken geworfen. Ein Brocken traf einen der Räuber im Gesicht, so dass die Haut aufplatzte und helles Blut in den Schnee sickerte. Der Räuber schien den Schmerz nach den zwei Krügen Wein nicht mehr zu spüren, er schwankte nur leicht, und auch das Plärren seines kleinen Sohnes schien ihn nicht mehr in diese Welt zurückzuholen.
    »Mach schon«, zischte Johann Lechner dem Henker ins Ohr, der neben dem Holzpodest Stellung bezogen hatte. »Die Leut wollen Blut sehen. Wenn du dich nicht beeilst, wird’s dein eigenes sein.«
    Kuisl nickte, es war tatsächlich schon öfter vorgekommen, dass die Menge den Henker lynchte, wenn die Hinrichtung nicht ordnungsgemäß verlief. Patzte der Scharfrichter, schlug er daneben oder richtete er in der Aufregung ein Massaker an den Verurteilten an, hing er schnell am nächsten Baum. Oder selbst am Galgen.
    Jakob Kuisl ballte seine Faust und ließ die Knochen knacken; ein Ritual, mit dem er jede Hinrichtung begann. Dannzog er seine Handschuhe fest, schritt auf den Galgen zu und begann mit der Arbeit.
    Das Erhängen der vier verurteilten Räuber ging schnell und geräuschlos vonstatten. Der Henker erledigte seine Aufgabe, als würde er ein Dach decken oder einen Tisch zimmern. Jakob Kuisl stieg mit jedem der Delinquenten die Galgenleiter hoch, knüpfte ihm die Schlinge um den Hals, zurrte das Hanfseil am Querbalken fest, stieg wieder hinunter und zog die Leiter weg.
    Die Männer zappelten kurz, feuchte Flecken zeichneten sich auf ihren Hosen ab, dann schwankten sie wie Strohpuppen im Wind hin und her. Nur der vierte Räuber tanzte zur Erheiterung der Schongauer ein wenig länger, doch schließlich war es auch mit ihm vorbei.
    Für die Menge war das nicht neu, so etwas sahen sie jedes Jahr mindestens einmal. Doch das war nur das Vorspiel, jetzt erst folgte die Hauptattraktion.
    Der Henker sah Hans Scheller an, und der Räuberhauptmann ballte die Faust und nickte unmerklich. Dann stieg er die Treppe hoch auf das Holzpodest.
    Ein langgezogener Schrei der Verzückung ging durch die Masse, als Hans Scheller nun dort oben stand und noch einmal seinen Blick über die Landschaft schweifen ließ. Die Berge, die Wälder, die weichen Hügel. Er schloss kurz die Augen und atmete den kalten Januarwind ein.
    Es gibt schlimmere Ort zum Sterben, dachte der Henker. Ein Schlachtfeld zum Beispiel.
    Mit der Eisenstange in der Hand betrat Kuisl nun das Holzpodest und wies den Scheller an, sich hinzulegen. In einer Ecke lag ein schweres, mit Eisen ummanteltes Wagenrad, auf das der Räuberhauptmann später geflochten werden sollte. Auf dem Boden des Podests waren in regelmäßigen Abständen Holzkeile angebracht, so dass Schellers Gliedmaßen nicht flach auflagen. So brachen die Knochen leichter. Der Henker würde an den Unterschenkeln beginnen und sichdann langsam nach oben arbeiten. Der letzte Schlag war der sogenannte Gnadenstoß und traf die Halswirbel. Bei besonders verabscheuungswürdigen Verbrechern verzichtete man auf diesen Stoß und ließ den Verurteilten, geflochten auf das Rad, unter freiem Himmel langsam krepieren.
    »Einen Augenblick noch, Kuisl«, sagte Hans Scheller oben auf dem Podest. »Ich möcht dir danken, dass du …«
    Der Henker winkte ab. »Lass gut sein. Nimm das Gift und halt dein Maul.«
    Scheller schüttelte den Kopf. »Da ist noch etwas, das du wissen sollst. Als wir diese anderen drei Wegelagerer überrascht haben, da hab ich nicht nur ein Parfum gefunden, sondern auch etwas anderes. Ich hatt’s vergessen, aber gestern Nacht ist’s mir wieder eingefallen.«
    Der Scharfrichter wandte seinen Blick von Scheller ab und sah auf die wogende Masse unter ihm. Die Leute wurden langsam ungeduldig.
    » Kuisl, was ist los da oben?«, riefen einige. » Die Knochen sollst ihm brechen, nicht ihm die Beichte abnehmen!«
    Die ersten Eisbrocken trafen den Henker. Jakob Kuisl wischte sich den Schneematsch aus dem Gesicht und sah den Räuberhauptmann ungeduldig an. »Spuck’s schon aus, wenn’s dir auf dem Herzen brennt. Aber mach schnell!«
    Hans Scheller verriet dem

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