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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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zügellos wie ihr Vater. Und noch immer nicht aus Augsburg zurück.
    Anna Maria Kuisl saß am Stubentisch und brachte vor Kummer keinen Bissen hinunter. Das Brot vor ihr war unberührt, auch ihr Mann konnte sie jetzt nicht trösten. Die Sorge um ihre Tochter ließ sie älter aussehen als ihre vierzig Jahre. Die ersten grauen Strähnen durchzogen das lange schwarze Haar, auf das sie schon als Mädchen stolz gewesen war und das sie ihrer Tochter vererbt hatte.
    »Eine Woche ist die Magdalena schon weg«, klagte sie, während ihr Mann immer noch ihre Schultern hielt. »Irgendetwas stimmt da nicht.«
    »Ach was«, knurrte der Henker. »Amüsieren wird sie sich in Augsburg, so sieht’s aus. Wenn sie nach Hause kommt, setzt’s eine Tracht Prügel, und damit ist’s gut.«
    Anna Maria Kuisl wischte die Hände ihres Mannes fort und stand abrupt vom Tisch auf. »Ich bin mir sicher, es ist ihr etwas zugestoßen! Eine Mutter spürt das.« Sie gab dem Schemel einen Stoß, dass er krachend in der Ecke landete. »Und dich lässt der Lechner im Wald die Räuber fangen, anstatt dass du dich um deine Tochter kümmerst! Hat er denn keine Büttel?«
    Jakob Kuisl schwieg. Wenn seine Frau einmal in Fahrt kam, gab es kein Halten mehr. Am einfachsten war es dann, den Sturm einfach vorüberziehen zu lassen, anstatt sich gegen ihn zu stellen. Die Henkersfrau tobte und klagte dann oft stundenlang, doch diesmal ging ihr recht schnell die Luft aus.
    »Reicht schon, wenn du für den Lechner und seine fettenBürgermeister die Leut hängst und räderst«, schrie sie. »Drecksarbeit! Sollen sich die hohen Herrschaften doch selber die Finger blutig machen!«
    Jakob Kuisl grinste. Er liebte seine Frau, auch für ihr Temperament. »Beim Rädern wenigstens hab ich ihnen sauber in die Suppe gespuckt.« Er goss sich einen Humpen Dünnbier ein und leerte ihn auf einen Zug. »Und wegen der Magdalena, da mach dir keine Sorgen. Die kann gut auf sich selbst aufpassen.« Mit seinem behaarten breiten Handrücken wischte er sich den braunen Schaum von den Lippen. »Im Gegensatz zum Simon. Der ist in großer Gefahr, und er weiß noch nicht einmal was davon.«
    Die Henkersfrau schnaubte. »Red doch nicht so siebengscheit daher. Woher willst denn das so genau wissen?«
    Jakob Kuisl griff sich den Laib Brot vom Tisch und wandte sich zum Gehen.
    »Ich weiß es halt.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, marschierte er hinaus in den Schnee. »Ich muss den Simon vor einer Dummheit retten. Das bin ich ihm schuldig.«
    Der Henker stapfte hinunter zur Lechbrücke und ließ seine zeternde Frau zurück.
    »So ist’s recht!«, rief sie ihm hinterher. »Den feinen Herrn Medicus retten, aber seine eigene Tochter ist ihm wurscht! Scher dich doch zum Teufel, querschädliges Mannsbild!«
    Doch Jakob Kuisl hörte nichts mehr, er war bereits hinter der nächsten Schneewehe verschwunden. Bei jedem Schritt klopften die Kopfschmerzen an seinen verkaterten Schädel.
    Leise fluchend hoffte er, dass es für den Medicus noch nicht zu spät war.
     
    Simon beugte sich über die mit bunten Bildern illustrierte Bibel und stieß dabei seinen Becher mit Kaffee um. Ein brauner Schwall ergoss sich über den Tisch aus Nussbaumholz und floss auf den polierten Parkettboden.
    »Oh, verdammt!«, rief er. »Verzeiht. Ich werde wohl langsam müde.«
    »Flucht nicht. Gott straft jede Lästerung, auch die kleinen. Selbst dann, wenn es durchaus Anlass zum Fluchen gäbe.« Augustin Bonenmayr sah den Medicus vorwurfsvoll durch die Gläser seines Kneifers an. »Die Bibel vor Euch ist viele hundert Gulden wert. Also geht gefälligst achtsam damit um.«
    Simon nickte und wischte mit einem von ihm vollgekritzelten Pergament vorsichtig den Kaffeesee vom Tisch. Seit heute früh saßen er und Benedikta in der Steingadener Klosterbibliothek, die sie schon von ihrem ersten Aufenthalt her kannten. Gemeinsam hatten sie Bibelstellen und Ortsbeschreibungen des Pfaffenwinkels studiert, immer auf der Suche nach der Lösung des Rätsels, das sie in Rottenbuch gefunden hatten. Um sie herum türmten sich auf zusammengeschobenen Tischen Bücher, Folianten und Pergamentrollen, sogar die Verkaufsurkunde von Friedrich Wildgraf hatte sich Simon noch einmal genauer angesehen. Doch bislang hatten sie nichts entdeckt, was ihnen weiterhalf.
    Immer wieder war Augustin Bonenmayr in die Bibliothek gekommen, um nach dem Rechten zu sehen; beim letzten Mal hatte er Simon sogar den Gefallen getan und in der Küche aus den schwarzen Bohnen

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