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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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gründlich am Altartuch abstreifte. Das Gebräu enthielt jetzt zehn Tollkirschen und ebenso viele Samen des Stechapfels. Sie hatte nicht gewagt, mehr zu nehmen, aus Angst, Bruder Jakobus könnte das Gift sonst herausschmecken.
    Schließlich kniete sie sich in eine Kirchenbank, faltete die Hände zum Gebet und wartete.
    Pünktlich zum Mittagsläuten öffnete sich die Tür.
    »Ich sehe, du betest, Magdalena. Das ist gut, das ist sehr gut«, sagte Bruder Jakobus. »Wenn du dich selbst zu Gott bekennst, werden die Dämonen umso leichter aus dir herausfahren.«
    Magdalena schlug die Augen nieder. »Ich spüre Gott schon ganz nah. Sagt, Bruder Jakobus, darf ich auch heute wieder die heilige Kommunion empfangen?«
    Jakobus lächelte. »Du darfst. Aber vorher wollen wir beten.«
    Magdalena ließ das lateinische Gemurmel wie einen warmen Sommerregen über sich ergehen. Sie wartete nur darauf, dass sie endlich zum Altar schritten. Würde Jakobus das Gift herausschmecken? Und wenn, wie würde er reagieren?
    Würde er sie dann zwingen, den Wein selbst zu trinken?
    Endlich war das Gebet zu Ende. Sie knieten sich vor den Altar, und Bruder Jakobus leitete die heilige Kommunion ein. Er hielt eine Hostie und den Kelch in die Höhe und murmelte die Worte der Wandlung.
    »Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes. Mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.«
    Er führte den Becher zum Mund und trank in tiefen Schlucken daraus. Wie in Trance sah Magdalena, dass kleine Tropfen aus seinen Mundwinkeln liefen, über sein unrasiertes, pickliges Kinn rollten und schließlich auf den Altar tropften. Jakobus wischte sich über den Mund und reichte den Kelch weiter an Magdalena.
    Er hatte nichts gemerkt.
    Die Henkerstochter blickte ins Innere des Bechers und erstarrte. Das Pulver hatte sich nicht richtig aufgelöst! Ein trüber Bodensatz war auf dem Grund des Gefäßes liegen geblieben, außerdem hatte Jakobus den Wein nur zur Hälfte ausgetrunken! Würde die Dosis trotzdem reichen?
    Magdalena lächelte dem Mönch zu, nahm den Kelch und tat so, als würde sie daran nippen.
    »Du trinkst heute so zögerlich, Henkerstochter«, sagte Jakobus. »Was ist mit dir?«
    »Ich... ich habe Kopfschmerzen«, stammelte Magdalena und stellte den Becher zurück auf den Altar. »Der Wein macht mich müde. Und ich brauche heute einen klaren Kopf.«
    »Warum das?«
    »Ich will beichten.«
    Der Mönch blickte erstaunt und gleichzeitig erfreut. »Jetzt gleich?«
    Magdalena nickte. Die Idee mit der Beichte war ihr spontan gekommen. Aber im Grunde war es genau das Richtige. Sie musste Jakobus noch mindestens eine halbe Stunde in der Kapelle festhalten. Was nutzte es ihr, wenn der Mönch zusammenbrach, nachdem er ihren Kerker verlassen hatte? Wenn sie Pech hatte, würde sie hier unten langsam verdursten und verhungern. Unbemerkt, ungehört, vor der Tür eine verwesende Leiche.
    »Wir haben keinen Beichtstuhl«, sagte Jakobus. »Aber das ist auch nicht nötig. Ich werde dir einfach hier in der Kirchenbank die Beichte abnehmen.«
    Er setzte sich so dicht neben sie, dass sie unter dem Veilchenparfum den Gestank seiner schwärenden Wunden riechen konnte.
    »Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir die wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit ... «, begann Bruder Jakobus.
    Magdalena schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie hoffte, dass ihr genügend Sünden einfielen, bis die Wirkung des Giftes einsetzte.
     
    »Du hast mich reingelegt, Kuisl! «, schrie Johann Lechner und bohrte seinen Zeigefinger in die breite Brust des Henkers. »Und nicht nur mich! Jeden einzelnen Schongauer hast du an der Nase herumgeführt! Das wird ein Nachspiel haben!«
    Jakob Kuisl sah mit verschränkten Armen auf den kleinen Gerichtsschreiber herab. Er überragte den zeternden Mann um fast zwei Köpfe. Doch an Wut und Durchsetzungskraft konnte es Lechner mit jedem beliebigen Bürger aufnehmen. Der Gerichtsschreiber hatte Kuisl gleich nach der Hinrichtung zu sich ins Schloss zitiert. Noch immer war er außer sich über die missglückte Räderung.
    Der Räuberhauptmann Hans Scheller hatte oben auf dem Holzpodest keinen Mucks mehr getan, kein noch so leiser Schrei war über seine Lippen gekommen. Und das, obwohl der Henker ihm jeden einzelnen Knochen gebrochen hatte! Lechner hatte es krachen und splittern hören, erst ganz zum Schluss hatte der Henker die Halswirbel zertrümmert. Die Menge war außer

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