Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Kreuz weg!«, schrie Kuisl. »Sonst steht Ihr Gott gleich leibhaftig gegenüber!«
Doch der Abt nahm ihn in dem tosenden Inferno nicht mehr wahr, er war gefangen in einer Welt aus Feuer, Hass undWahnsinn. Verzweifelt versuchte er sich samt dem schweren Holzkreuz über die Brüstung der Galerie zu ziehen. Wie ein großes Pendel hing er dort und schlug mit den Beinen nach links und rechts gegen die Balustrade. Plötzlich gab das brennende Geländer nach, es zerbrach in funkensprühende Stücke, und mit einem ungläubigen Aufschrei stürzte Bonenmayr kopfüber in die Flammen, die sich unter ihm durch die Zuschauerbänke fraßen.
Das Kreuz schien einen Augenblick lang in der Luft zu hängen, bevor es schließlich mit einem berstenden Geräusch auf den Steingadener Abt fiel.
Kurz glaubte Kuisl noch, eine Hand hinter den Zuschauerbänken herausragen zu sehen, die Finger schienen verzweifelt nach etwas zu greifen; dann prasselte ein Hagel von glühenden Trümmern hernieder, und von Augustin Bonenmayr war nichts mehr übrig als eine Erinnerung.
Der Henker stand im geöffneten Portal und sah dem Feuer bei seiner Arbeit zu. Das ganze Theater war ein einziger, großer Scheiterhaufen.
Ein Regen aus glimmenden Holzstücken und zu Asche verbrannten Vorhangfetzen hüllte Simon und die beiden Frauen ein. Die Luft war so heiß, dass das Atmen immer schwerer fiel; hinzu kam der Qualm, der in den Augen und der Lunge brannte. Das Feuer arbeitete sich von der Bühne langsam durch die Decke in den Kellerraum.
Nachdem der Abt mit dem Aufzug in die Höhe gefahren war ,hatte Bruder Lothar versucht, die Plattform wieder nach unten zu kurbeln. Doch die Seile hatten bereits Feuer gefangen, die Platte war daraufhin ächzend zu Boden gerauscht und dort in ihre Einzelteile zerschellt. Nun blickte der Mönch sich panisch um, er war mit jenen Menschen eingeschlossen, die er soeben noch versucht hatte umzubringen. Würden sie über ihn herfallen? Warum hatte ihn der Abt im Stich gelassen?
Simon war mittlerweile wieder auf die Beine gekommen. Sein Kopf schmerzte, Blut floss ihm aus der Nase und aus einer Wunde an der Schläfe, doch wenigstens konnte er wieder laufen.
»Wir müssen durch den unterirdischen Gang hinaus«, krächzte er. »Zu der verschlossenen Klostertür von vorhin. Schnell, bevor hier alles zusammenstürzt!«
Ohne den Mönch weiter zu beachten, liefen die drei geduckt auf die niedrige Tür zu, während um sie herum immer mehr brennende Deckenteile zu Boden regneten. Bruder Lothar stand wie ein Fels im Raum, unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Schließlich riss er sich los und eilte den anderen nach. Doch der Qualm war mittlerweile so dicht, dass er nicht mehr erkennen konnte, wohin sie gegangen waren. Wie im Nebel irrte der Hüne hustend durch das Gewölbe, stieß an die Regale und warf brennende Heiligenfiguren um.
»Wartet auf mich!«, keuchte er. »Wo seid ihr? Wo seid ... «
In diesem Moment löste sich ein besonders großes Stück der Decke und rauschte direkt über dem Mönch zu Boden. Bruder Lothar hatte gerade noch Zeit, entsetzt aufzublicken, bevor ihn die brennenden Balken begruben. Schon nach kurzer Zeit verstummten seine Schreie.
Simon und die beiden Frauen hatten mittlerweile die Tür geöffnet, durch die sie vorher in die Krypta eingedrungen waren. Erleichtert stellte der Medicus fest, dass der Qualm im dahinterliegenden Tunnel nicht so dicht wie erwartet war. Die Tür hatte ihn offenbar weitgehend aufgehalten. Sie rannten den Gang entlang, an der Kreuzung vorbei, bis sie schließlich wieder den Eingang zum Kloster erreichten. Wie beim letzten Mal warf sich Benedikta dagegen, doch das hölzerne Portal hielt auch diesmal stand. Fluchend rieb sie sich die Schulter.
»Lasst mich einmal versuchen!«, sagte Simon.
Er nahm Anlauf und trat mit aller Macht gegen das massive Holz. Ein stechender Schmerz durchfuhr sein Bein,aber die Tür zitterte nicht mal in den Angeln. Hinter ihnen füllte sich der Gang plötzlich mit schwarzen Rauchschwaden.
»Ihr habt doch hoffentlich den Eingang zur Krypta wieder zugemacht?«, fragte Simon ein wenig verunsichert.
Benedikta zuckte mit den Schultern und deutete auf Magdalena. »Ich dachte, sie hätte …«
»Ach, das wird ja immer schöner!«, entgegnete die Henkerstochter. »Erst den Abt nicht richtig treffen und jetzt die Schuld auf andere schieben!«
» Du warst doch die Letzte, törichtes Weibsbild!«, schrie Benedikta.
»Ruhe! «, rief Simon. »Wir haben keine
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