Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Galgenbichl auf, manche von ihnen nicht älter als vierzehn Jahre, doch vergebens. Hunger und Gier waren stärker als die Angst vor dem Henker. Die Räuberbande in diesem Winter war allerdings die größte seit vielen Jahren. Ihr Anführer, ein gewisser Hans Scheller, hatte fast zwei Dutzend Spießgesellen um sich gesammelt, darunter ehemalige Söldner, aber auch Bauern, deren Felder, Scheunen und Vieh der Krieg verzehrt hatte; viele von ihnen brachten ihre Frauen und Kinder in die Bande mit.
»He, Kuisl, ich red mit dir! Lass uns heimgehen. Kannst ja allein noch weitersuchen.«
Jakob Kuisl sah sich verächtlich nach dem Bäckerssohn um.
»Einen letzten Schlupfwinkel schauen wir uns noch an, dann darfst wieder heim ins warme Federbett. Schaust schon ganz verfroren aus. Oder kommt die rote Nase vom Saufen?«
Hans Berchtholdt wurde noch röter, als er ohnehin schon war.
»Werd bloß nicht frech, Schinder!«, rief er und fuchtelte mit seinem Säbel. »Von einem wie dir lass ich mir schon gleich gar nichts sagen. Eine Schand ist’s, dass der Lechner dich zum Anführer gemacht hat!«
»Hüte dein vorlautes Mundwerk, Berchtholdt! «, sagte Jakob Schreevogl, der bislang schweigend mit dem Henker vorausgegangen war. »Hast selbst gehört, was der Schreiber gesagt hat. Der Kuisl kennt sich hier am besten aus. Also führt er uns auch.«
»Der Berchtholdt hat recht, Schreevogl!« Es war Sebastian Semer, der Sohn einer des ersten Bürgermeisters, dersich nun zu Wort meldete. In seinem enggeschnittenen Wams mit den kupfernen Knöpfen und dem geschwungenen Hut mit der Hahnenfeder wirkte er hier im Wald reichlich fehl am Platz. Außerdem schien er in seinen dünnen Lederstiefeln gewaltig zu frieren. Seine Stimme zitterte, und Jakob Kuisl wusste nicht, ob es an der Kälte oder an der unterschwelligen Angst lag, als der junge Patrizier den Henker nun feindselig musterte.
»Das hat es noch nie gegeben, dass ein Schinder und Scharfrichter ehrenwerte Bürger herumkommandiert«, brachte Semer endlich hervor. »Ich ... ich ... werd mich bei meinem Vater beschweren!«
»Ja, ja, mach das, und jetzt geh zu, bevor es Nacht wird.«
Jakob Kuisl stapfte voran, in der Hoffnung, dass ihm die Gruppe folgte. Er spürte, wie seine Autorität langsam bröckelte. Die Menschen, die ihm in dieser Runde vertrauten, konnte er an einer Hand abzählen. Jakob Schreevogl, der alte Andre Wiedemann, den er noch vom Krieg her kannte, vielleicht der Schmied Georg Kronauer und ein paar der Handwerker. Der Rest folgte ihm, weil der Schreiber es so bestimmt hatte und weil sie den Henker fürchteten.
Kuisl seufzte leise. Scharfrichter waren in den Augen der meisten keine ehrenwerten Mitbürger, weil ihr Beruf aus Tätigkeiten bestand, die sonst keiner übernehmen mochte: Sie folterten und hängten Verbrecher, beseitigten die toten Tiere im Ort, kehrten den Dreck von den Straßen und panschten magische Tränke und Tinkturen. Für die Söhne der Ratsherren musste die Vorstellung, dass ein solcher Mensch ihnen Befehle gab, einen ungeheuren Frevel darstellen. Jakob Kuisl konnte förmlich spüren, wie sich hinter ihm der Widerstand zusammenbraute.
Leise verfluchte er den Gerichtsschreiber Johann Lechner, der ihn in diese Lage gebracht hatte. Vielleicht wollte Lechner ihn auf diese Weise einfach nur loswerden? Es waren Henker schon aus weitaus geringeren Anlässen vom Volkgelyncht worden. Kuisl war klar, wenn auch der nächste Unterschlupf leer sein sollte, dann war die Räuberjagd für ihn zu Ende.
Als er jedoch hinter der nächsten dichten Tanne hervortrat, wusste er sofort, dass sie diesmal Erfolg haben würden.
Von unten aus der Ammerschlucht stieg Rauch zu ihm empor, ein dünner Faden nur, aber in der klaren Winterluft trotzdem gut zu erkennen. Jakob Kuisl grinste. Er hatte gewusst, dass das Gesindel hier irgendwo untergekrochen war. Als der Henker die Jagd geplant hatte, war ihm bewusst gewesen, dass es keinen Sinn machen würde, auf gut Glück durch den Wald zu laufen in der Hoffnung, auf einzelne Marodeure zu treffen. Die Gegend rund um Schongau war eine Wildnis aus Wäldern, Schluchten und schroffen Hügeln. Nur ein jeweils kleiner Bereich um die Ortschaften wurde überhaupt bewirtschaftet, dahinter begann der Urwald, endlos und unübersichtlich.
Doch der Henker kannte diese Gegend wie kein Zweiter. Auf der Suche nach heilenden und giftigen Pflanzen war er in den letzten Jahren meilenweit in den Wald eingedrungen, er kannte jede größere Höhle,
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