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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Zögernd blickten sie zu ihr herüber, griffen aber nicht ein. Magdalena fluchte. Als Henkerstochter war sie in den Augen der Männer vermutlich nichts weiter als ein Flittchen, das nun seinen gerechten Lohn erhielt.
    Für Oswald Hainmiller geriet das Ganze immer mehr zu einem Spiel. Er eilte ihr grinsend nach, während sie an den Flößern vorbei nach hinten kletterte. Magdalena hangelte sich über Kisten und Bündel, vorbei an Mühlsteinen und Säcken mit Marmor und Salz. Schließlich hatte sie das Heck des Floßes erreicht, und der Händler war noch immer dicht hinter ihr.
    »Sehr gut«, schnurrte Hainmiller und griff nach ihrem Mieder. »Hier sind wir wenigstens ungestört.«
    Magdalena blickte sich um. Links von ihr stand eine große hölzerne Fuhre mit ungelöschtem Kalk, die nur notdürftig mit einer Plane aus Leinen abgedeckt war. Einer plötzlichen Eingebung folgend, riss sie die gewachste Plane herunter, zog sich hoch und begann, am Rand der Fuhre entlangzutänzeln. Sie lächelte und ließ ihr Becken anzüglich kreisen.
    »Kommt schon!«, rief sie dem Händler zu, der mittlerweileziemlich außer Atem war. »Wenn Ihr was von mir haben wollt, dann müsst Ihr Euch schon hier hochbequemen.«
    Oswald Hainmiller zögerte einen Augenblick. Dann hievte er seinen fetten Leib auf den Rand der Fuhre und balancierte ihr nach.
    »Gleich ... gleich hab ich dich«, ächzte er.
    Als der Händler sich auf Armlänge genähert hatte, gab Magdalena ihm plötzlich einen Stoß, so dass er mit den Händen wild um sich ruderte.
    »Verdammtes Flittchen!«, brüllte Hainmiller, dann fiel er kopfüber in die Fuhre.
    Eine weiße Staubwolke hüllte ihn ein, schon nach kurzer Zeit begann er zu schreien. Der ungelöschte Kalk drang in seine Augen, seinen Mund und in jede noch so kleine offene Wunde. Er hustete und wand sich, schließlich zog er sich aus der Fuhre empor. Sein Mantel und der darunterliegende Rock waren mit weißen Flecken übersät, die sich an den feuchten Stellen von innen nach außen fraßen. Magdalena sprang von der Fuhre herunter und grinste. Oswald Hainmiller würde vor seinem nächsten Schäferstündchen auf alle Fälle eine neue Garderobe brauchen. Und vielleicht auch ein neues Gesicht.
    Nach kurzem Zögern nahm sie zwei Handvoll von dem weißen Pulver und füllte damit vorsichtig die Seitentasche ihres Überrocks. Dabei achtete sie darauf, dass der stark ätzende Kalk nicht nass wurde und sich auch durch ihre Kleidung fraß. Wer weiß, vielleicht konnte sie ihn noch einmal brauchen.
    »Das ... das wirst du mir büßen, Henkersdirn! «, keuchte Hainmiller , während er sich am Heck des Floßes übers Wasser beugte und halbblind seine brennenden Augen auswusch. Nur Sekunden später wand er sich schreiend am Boden, als das Pulver sich zischend und rauchend mit dem Wasser verband. »Verfluchtes Weib!«, heulte Hainmiller und robbte über die Balken auf der Suche nach einem Stück sauberenStoff, um sein Gesicht abzuwischen. »Du wirst keine Freude haben im schönen Augsburg. Keine Freude, das versprech ich dir!«
    »Lasst mich ab jetzt einfach in Ruh«, rief Magdalena und kletterte wieder nach vorne, wo sie die Schongauer Flößer neugierig anstarrten. »Und ihr auch!«, schrie sie. »Rollige, bocksbeinige Mannsbilder! Nichts als Ärger hat man mit euch!«
    Sie setzte sich am Bug auf eine Kiste und schlang die Arme um ihre Knie, während sie den Blick starr geradeaus richtete. Ihre Mutter hatte sie immer gewarnt: Die meisten Männer waren entweder lüsterne Trottel oder gefühlskalte Eisbrocken. Am besten war, wenn man sich von ihnen fernhielt. Tränen schossen ihr in die Augen, sie wischte sie weg. Keiner der Gaffer sollte ihre Traurigkeit sehen.
    In diesem Moment wünschte sie sich wie ein kleines Kind ihren Vater herbei.
     
    Jakob Kuisl ließ sich in die Tiefe gleiten, bis seine Füße die ersten Sprossen berührten. Die eiserne Leiter lief an der Felswand entlang, bis sie nach zehn Schritt in einem Spalt verschwand. Kurz überlegte der Henker, die mitgebrachten Fackeln zu entzünden, entschied sich dann aber dagegen. Die Räuber sollten nicht durch das Licht gewarnt werden. Als er in den Spalt kletterte, wurde es kurzzeitig schwarz um ihn, doch schon bald gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Über sich konnte er durch die Öffnung das Tageslicht sehen, das immer wieder verschwand, wenn einer der Männer sich hinter ihm durch das schmale Loch schob. Sie waren insgesamt nur fünf, aber Kuisl wusste, dass

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