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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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stöhnte sie. »Langsam wird es lästig.«
    »Es muss etwas dahinter sein.« Simon zog sein Stilett hervor ,das er sonst gelegentlich bei kleinen Operationen verwendete, und begann, den Mörtel seitlich an der Platte wegzukratzen. Benedikta half ihm mit ihrem Messer. Schweigend arbeiteten sie eine gute Viertelstunde, dann rutschte die Grabplatte langsam zu Boden.
    Dahinter war nichts.
    Nur eine nackte Wand, auf der allerdings einige Zeilen in den Fels gemeißelt waren. Im Gegensatz zu all den anderen Inschriften in der Grabkammer waren die Sätze auf Deutsch verfasst, wenn auch in einem sehr altertümlichen Deutsch. Simon murmelte sie leise vor sich hin.
    »Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes, dass Erde nicht war, noch oben der Himmel, nicht Baum, noch Berg nicht war, nicht noch irgendetwas, noch die Sonne nicht schien, noch der Mond nicht leuchtete, noch das herrliche Meer.«
    »Was um Himmels willen soll das bedeuten?«, flüsterte Benedikta. »Wieder so ein Rätsel aus der Bibel?«
    Simon nickte. »Es sieht ganz so aus. Wobei ich diesen Spruch noch nie gehört habe. Und auch etwas anderes ist merkwürdig …«
    »Was?« Benedikta sah ihn fragend an.
    »Nun, wenn es aus der Bibel ist, dann müsste es eigentlich lateinisch sein. Es gab damals meines Wissens noch keine deutsche Übersetzung. Jedenfalls keine von der Kirche erlaubte. Die Inschrift ist aber auf Deutsch.«
    Benedikta ging näher an die Inschrift heran. Sie tippte auf ein Wort in der zweiten Zeile.
    »Das Wort ›BAUM‹ ist großgeschrieben. Warum nur?«
    Simon fuhr die Buchstaben mit dem Zeigefinger nach.
    »Vielleicht ist dieses Wort besonders wichtig«, sagte er. »Vielleicht liegt der Schatz ja unter einem Baum.«
    Benedikta lachte verzweifelt auf. »Unter welchem? Da draußen ist ein Wald!«
    »Es muss ein alter Baum sein. Einer, der hier bereits vor über dreihundert Jahren stand. Und er muss etwas Besonderes an sich haben, so dass man ihn gleich wiedererkennt.« Simon eilte auf den verkohlten Balken zu und begann, sich hochzuziehen. »Kommt, lasst uns nachsehen. Vielleicht stehen wir kurz vor der Lösung des Rätsels!«
    Benedikta seufzte und kletterte ihm nach.
    Sie suchten den ganzen Vormittag und den halben Nachmittag. Sie hielten Ausschau nach alten oder merkwürdig verkrüppelten Bäumen, nach Eichen, in deren Rinde etwas geschnitzt war, oder Buchen, die einsam auf einer Anhöhe standen. Sie suchten nach versteckten Zeichen und steinernen, im Boden eingelassenen Platten, sie suchten in Astlöchern, Wurzelhöhlen und alten Dachsbauten.
    Sie fanden nichts.
    Nach fünf Stunden vergeblicher Suche setzte sich Simon auf einen großen, verschneiten Felsbrocken, der aus derBurgmauer herausgefallen war, und rieb seine eiskalten Hände aneinander.
    »So kommen wir nicht weiter«, sagte er, während sein Atem als weißer Dampf aufstieg. »Selbst wenn der Schatz, oder was auch immer, hier unter einem Baum versteckt wäre, die Erde ist viel zu hartgefroren, als dass wir graben könnten.«
    Benedikta setzte sich neben ihm auf den Felsbrocken, ihr Gesicht war rot von der trockenen Kälte.
    »Glaubt Ihr immer noch, hier oben liegt ein Haufen Geld?«
    Simon stand auf und ging schnell auf und ab, um wieder Wärme in seine Gliedmaßen zu bringen.
    »Vielleicht ist es gar kein Geld. Es kann Gold sein, Geschmeide, Diamanten. Etwas Kleines, sehr Wertvolles. Vielleicht ist das alles aber nur Blödsinn und ich habe mich in eine Idee verrannt.«
    Wütend warf er einen Stein ins Tal hinab. Der hühnereigroße Kiesel riss eine Schneewehe mit sich, die als kleine Lawine zwischen den Bäumen zerplatzte.
    »Lasst uns heimgehen«, sagte er, zu Benedikta gewandt. »Ihr müsst noch die Beerdigung Eures Bruders vorbereiten. Und ich habe von diesen Templern erst einmal die Nase voll.«
    Gemeinsam stapften sie durch den Schnee ins Tal hinunter. Keiner von beiden bemerkte die drei Gestalten, die ihnen, gut verborgen hinter einem Mauerstück, mit hasserfüllten Augen hinterherstarrten.
     
    Bruder Avenarius rieb sich den dicken Verband am Hinterkopf, wo ihn der Henker mit dem Knüppel erwischt hatte.
    »Sieht nicht so aus, als ob sie etwas gefunden haben«, sagte er in seinem schwäbischen Dialekt. »Vielleicht ist der Bursche doch nicht so schlau, wie er meint. Sapientia certa in re incerta cernitur ... «
    »Schlauer als du ist er auf alle Fälle, Klugscheißer!« Der Mann mit der Narbe im Gesicht und der krächzenden Stimme spielte mit dem Krummdolch

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