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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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über die bislang so angenehme Fahrt.
    »Es sind schon andere in den Fluss gefallen, weil sie sich in die Wellen verguckt haben.«
    Eine tiefe Stimme riss sie aus ihren Grübeleien. Sie sah sich um und erblickte den Augsburger Händler Oswald Hainmiller , der an einem Gänseschlegel nagte und ihr einladend ein zweites Stück reichte. Von seinen Lippen troff Fett, das den gestutzten Knebelbart und seine weiße Halskrause bekleckerte. Der Händler war von feister Gestalt und mochte auf die vierzig zugehen, der breite Gürtel mit der silbernen Schnalle spannte bereits merklich um seinen Bauch. Die rote Hahnenfeder auf seinem Hut flatterte im Fahrtwind. Magdalena überlegte kurz, dann griff sie nach dem Gänseschlegel und biss hinein. Sie hatte seit den paar Löffeln Haferbrei heute früh nichts gegessen.
    »Vergelt’s Gott«, sagte sie mit vollem Mund und blickte weiter nach vorne auf die Windungen des Flusses. Hainmiller grinste.
    »Wie lang wirst denn in unserem schönen Augsburg bleiben? «, fragte er und wischte sich mit dem spitzenbesetzten Ärmel das Fett von der Backe. »Oder musst gleich wieder heim in dein schäbiges Städtlein?«
    Hainmiller sprach den breiten Augsburger Dialekt, der den Schongauern so verhasst war, weil er sie an die Überlegenheit der freien Reichsstadt erinnerte. Magdalena hatte bei dem Händler am Morgen die Passage gebucht. Oswald Hainmiller führte unter anderem Wein, Öl, Zinn, Gewürze und eine große Fuhre Kalk mit sich. Die Anwesenheit von Magdalena war für den Händler eine willkommene Gelegenheit, sich die Zeit zu vertreiben und ein wenig zu prahlen, bis man am Abend endlich in Augsburg ankommen würde.
    Magdalena seufzte. Schon seit Schongau versuchte der feiste Händler, Konversation zu machen. Es sah nicht so aus,als ob er aufgeben wollte. Selbst als Magdalena ihm erzählt hatte, dass sie die Tochter des Schongauer Henkers war, hielt ihm das nicht davon ab, ihr Avancen zu machen. Im Gegenteil, die Vorstellung schien ihn eher noch anzustacheln. Magdalena fügte sich in ihr Schicksal und lächelte zurück.
    »Ich werd wohl nur einen Tag bleiben können«, sagte sie. »Schon übermorgen geht’s zurück.«
    »Einen Tag!«, rief der Händler und blickte in einer Geste der Verzweiflung zum Himmel. »Wie willst du in nur einem Tag die Schönheit dieser Stadt ermessen können? Das neue Rathaus, den Bischofspalast, all die Brunnen! Ich habe von anderen Schongauern gehört, die sich nach der Ankunft erst einmal setzen mussten. Der Anblick war einfach zu viel für sie.«
    Mir reicht schon dein Anblick, dachte sich Magdalena und versuchte, sich wieder auf die schäumenden Kronen vor ihr zu konzentrieren. Sie ärgerte sich, dass der fette Prahlhans ihr mit seinen Reden den Besuch in Augsburg vergällte. Tatsächlich freute sie sich sehr auf die Stadt, die vor dem Krieg noch zu den größten und schönsten in Deutschland gehört hatte.
    »Weiß du denn schon, wo du schlafen wirst?« Das Gesicht des Händlers bekam etwas Frettchenhaftes.
    »Ich ... mein Vater hat mir eine gute Herberge am Lech genannt«, sagte sie und spürte den Ekel wie Galle in sich hochsteigen. »Kost und Logis für nur vier Kreuzer die Nacht.«
    »Dafür teilst du dein Bett aber mit einer ganzen Armee von Flöhen und Wanzen.« Oswald Hainmiller war jetzt ganz nahe an sie herangetreten und strich ihr über den Rock. Sie sah das Gänsefett in kleinen Tröpfchen in seinem Bart hängen. » Bei mir zu Hause steht ein Himmelbett aus weißen Linnen, und das teilst du nur mit mir. Vielleicht zahl ich dir sogar vier Kreuzer für die Nacht«, flüsterte er in ihr Ohr, so dass sie seinen weindurchtränkten Atem riechen konnte.
    »Lasst das!«, zischte Magdalena und schob ihn weg.»Nur weil ich die Tochter vom Henker bin, bin ich noch lange kein Freiwild.«
    Der Händler ließ sich davon nicht einschüchtern. »Ich kenn euch Dirnen«, geiferte er. »Erst wehrt ihr euch, aber dann seid ihr umso williger.«
    Der Wein und der Anblick Magdalenas hatten Hainmiller in den letzten Stunden der Fahrt offenbar immer lüsterner gemacht. Er griff der Henkerstochter ans Mieder. »Nun, hab dich nicht so!«
    Angeekelt schob Magdalena seine Hand von sich weg. »Wascht Euch erst mal den Mund aus, bevor Ihr weitersprecht«, sagte sie. » Ihr stinkt wie eine tote Ratte.«
    Sie entwand sich seinem Griff und lief zur Mitte des Floßes, wo zwei Schongauer Flößer mit langen Stangen das Gefährt lenkten. Sie kannte sie vom Sehen aus dem Semer-Wirt.

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