Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
einfacher Hinweis in der Krypta, ein Testament hätt es doch auch getan.«
»Alle Rätsel bislang haben etwas mit Gott zu tun «, unterbrach ihn Simon, der Mühe hatte, bei all dem Qualm nicht zu husten. »Die Templer wollten vermutlich sichergehen, dass nur ein wahrhaft Gläubiger den Schatz findet. Auch diese Inschrift aus der Schlossruine scheint mir eine Art Gebet zu sein.« Er zog ein Stück Pergament hervor, auf das er die Zeilen notiert hatte.
»Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes «, murmelte der Medicus. »Dass Erde nicht war, noch oben der Himmel, nicht Baum ... « Er stockte. »Warum bloß ist das Wort ›Baum‹ großgeschrieben? Haben wir etwas dort oben übersehen?«
»Deus lo vult« , murmelte der Henker plötzlich. »Was?«
» Deus lo vult – Gott will es. Das hat der Mann mit dem Dolch zu dem fetten Schwaben unten in der Krypta gesagt. Es klang beinahe wie ein Kampfruf. Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
Simon zuckte mit den Schultern. »Ein nach Parfum duftender Mönch, ein weiterer mit einem Krummdolch, ein dickerSchwabe ... « Der Medicus rieb sich die müden, vom Rauch tränenden Augen. »Was für ein merkwürdiger Haufen! Und wie haben diese Männer bloß von dem Templergrab erfahren? Durch die Handwerker?«
Der Henker schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht. Ich denk da eher an was anderes. Aber dafür ist’s noch zu früh. Jetzt bin ich müde.«
Er stand auf und geleitete den Medicus zur Tür. Plötzlich fiel Simon ein, dass er Jakob Kuisl in der ganzen Aufregung gar nicht nach Magdalena gefragt hatte.
»Eure Tochter ... «, begann er, schon auf der Schwelle stehend. »Ich ... ich muss mit ihr reden. Ich glaube, ich muss mich entschuldigen. Ist sie oben im Haus oder noch bei der Stechlin?«
Der Henker schüttelte den Kopf. »Nichts von beiden. Sie ist heute früh nach Augsburg, mit dem Floß. Sie holt für mich und die Hebamme ein paar Ingredienzien. Es ist wohl besser, wenn ihr euch erst mal nicht mehr seht.«
»Aber ... « Simon fühlte sich mit einem Mal furchtbar leer. Jakob Kuisl schob ihn nach draußen und schloss langsam die Tür.
»Sie wird schon wiederkommen«, brummte der Henker. »Ist halt eine trotzige Kuisl, wie ihre Mutter. Und jetzt gehab dich wohl. Ich muss nach dem kleinen Georg schauen.«
Mit einem Knirschen fiel die Tür ins Schloss, und Simon stand draußen allein in der Dunkelheit. Schneeflocken fielen auf sein Haar, es war so still wie in einem Grab. Vorsichtig tastend stapfte er durch den Neuschnee auf die Lichter der Stadt zu. Ganz leise beschlich ihn das Gefühl, einen großen Fehler gemacht zu haben.
Der Händler ließ Magdalena bis zu ihrer Ankunft in Augsburg in Ruhe. Nur gelegentlich blickte er hasserfüllt mit geröteten Augen zu ihr hinüber, ansonsten war er damit beschäftigt, sein vom Kalk brennendes Gesicht immer wiederins eisige Wasser des Lechs zu tauchen und mit Öl zu betupfen. Rote, nasse Pusteln breiteten sich um seinen Bart herum aus. Er fluchte leise und nippte zur Beruhigung immer wieder an einer tönernen Flasche mit Obstbrand.
Es ging auf das Sechsuhrläuten zu, als Magdalena im Dunkeln vor sich eine Reihe funkelnder Lichter ausmachen konnte. Zuerst leuchteten sie nur vereinzelt, doch mit der Zeit wurden es immer mehr, bis zum Schluss der ganze Horizont davon erfüllt schien.
»Augsburg«, hauchte sie ehrfurchtsvoll.
Magdalena kannte die Stadt bislang nur von Erzählungen; eine Metropole, in der es lebhafter und bunter zuging als im engen Schongau. Hier lebten Protestanten und Katholiken friedlich nebeneinander, eine freie Stadt, die nur dem Kaiser unterstellt war. Der Reichtum Augsburgs war bis zum Großen Krieg legendär gewesen, und auch jetzt schien die Stadt nicht viel von ihrem einstigen Glanz verloren zu haben.
Der Anblick ließ die Henkerstochter ihre Wut und Traurigkeit vorerst vergessen. Die Floßlände befand sich ein wenig außerhalb der Stadt, unweit des Roten Tores. Selbst jetzt zur späten Stunde herrschte auf der Mole noch ein Treiben, wie es Magdalena in Schongau noch nie erlebt hatte. Fässer und Säcke wurden zu Dutzenden abgeladen, eine Horde von Tagelöhnern trug die schweren Lasten auf gebeugten Schultern in die angrenzenden Schuppen. Der Schein unzähliger Fackeln und Laternen sorgte dafür, dass auch jetzt nach Einbruch der Dämmerung noch gearbeitet werden konnte. Harsche Befehle, aber auch derbe Sprüche und Gelächter tönten über die Floßlände.
Magdalena hatte ihre
Weitere Kostenlose Bücher