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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Passage glücklicherweise schon in Schongau bezahlt. So konnte sie, ohne sich weiter um den Händler zu kümmern, vom Floß springen und in das Getümmel eintauchen. Zum wiederholten Male versicherte sie sich, dass die kleine Tasche aus Leinen noch immer über ihrer Schulter hing. In ihr befanden sich die Aufzeichnungen derStechlin und ihres Vaters, aber vor allem das Geld, das ihr die Hebamme mitgegeben hatte. Zwanzig Gulden! So viel hatte Magdalena noch nie in ihrem Leben besessen! Das meiste davon kam von der schwangeren Holzhoferin, die in Schongau auf ihren Bezoarstein wartete.
    Als die Henkerstochter sich noch einmal umblickte, sah sie, dass Oswald Hainmiller mit zwei dunkel gekleideten Männern tuschelte und zu ihr hinüberdeutete. Sein von Pusteln und rotem Ausschlag entstelltes Gesicht war eine Fratze des Hasses.
    Magdalena stieg in einen der Kähne um, die Reisende über einen Kanal bis zum Roten Tor brachten. Auf dem wackligen Gefährt drängten sich die Menschen dicht an dicht; aus dem Augenwinkel heraus bemerkte die Henkerstochter, dass auch die beiden Männer in den Kahn gestiegen waren. Magdalena beschloss, sie vorerst zu ignorieren.
    Nur kurze Zeit später kam sie ausgefroren und hungrig am Roten Tor an, das in wenigen Minuten pünktlich zum Sechsuhrläuten geschlossen werden würde. In Pelz gekleidete Händler ,aber auch lumpige Tagelöhner und Fuhrleute drängten in die Stadt. Magdalena wich einer Pferdekutsche aus, die mit trabenden Pferden an ihr vorbeirumpelte, und stolperte prompt über einen Hausierer, der mit seinem Bauchladen direkt hinter ihr gestanden hatte.
    »Pass doch auf!«, fauchte der Mann und hob seine Zunderbüchsen, Scheren und Schleifsteine von der Straße auf.
    »Das ... das tut mir leid«, stotterte Magdalena, als sie spürte, wie etwas an ihr zog. Im letzten Moment drehte sie sich um und bemerkte einen etwa zehnjährigen Jungen, der mit einem kleinen Messer versuchte, den Tragegurt ihrer Tasche zu durchtrennen.
    Magdalena gab ihm eine Ohrfeige, dass er rücklings in den dreckigen Schneematsch fiel.
    »Versuch das nicht noch mal! «, zischte sie ihm zu, raffte den Beutel an sich und eilte durch die sich langsam schließendenTore. Als sie sich noch einmal nach dem Jungen umblickte, sah sie mit Entsetzen, dass die beiden Männer von der Floßlände nur wenige Schritte hinter ihr standen und sie musterten.
    »Wohin so eilig, Liebchen?«, knurrte der eine von ihnen. Er trug einen löchrigen Mantel und eine Augenbinde. »Lass uns doch gemeinsam ein Quartier suchen. Dann ist’s wärmer. « Als sich sein Mantel bei einem Windzug ein wenig öffnete, konnte Magdalena darunter einen schweren, unterarmlangen Dolch erkennen. Der andere Mann war breit wie ein Weinfass, in seiner Hand schwang er einen polierten Knüppel.
    Ohne weiter auf die beiden zu achten, sprintete Magdalena los. Sie fand eine Lücke in der Menge, durch die sie hindurchschlüpfen konnte. Hinter ihr ertönte unterdrücktes Fluchen. Die Menschenmasse vor ihr war so dicht, dass es schwer war voranzukommen. Sie rannte ein paar Tagelöhner über den Haufen, rempelte einen weiteren Hausierer an und warf einen Korb mit Brennholz um.
    Schließlich hatte sie das schlimmste Gedränge hinter sich gelassen. Die Straße war jetzt merklich leerer. Schon wollte sie aufatmen, als sie hinter sich eilige Schritte hörte. Im Laufen erhaschte sie einen Blick auf ihre Verfolger, die sich ebenso wie sie einen Weg durch die Menge gebahnt hatten. Der Fette ließ seinen Knüppel durch die Luft sausen und rannte keuchend hinter ihr her. Der Mann mit der Augenbinde war schneller, mit großen Schritten näherte er sich Magdalena, die sich panisch nach Hilfe umsah. Warum war sie nicht in der Menge geblieben? Dort hätten die Männer niemals gewagt, sie offen anzugreifen! Aber hier? Mittlerweile war es Nacht geworden, von den Häusern und der Straße waren nur noch Schemen zu erkennen. Menschen begegnete Magdalena kaum noch, und wenn, dann flüchteten sie in einen der Hauseingänge und sahen den Verfolgern aus winzigen Fensternischen ängstlich hinterher.
    Magdalena änderte ihre Taktik und bog in eine kleine Nebenstraße ein. Vielleicht war es ihr möglich, die beiden im Labyrinth der Gassen loszuwerden? Sie eilte an ratternden Mühlrädern vorbei, über wacklige Brücken und winzige, kopfsteingepflasterte Plätze, doch die beiden Männer blieben ihr auf den Fersen. Die Henkerstochter war eine gute Läuferin, im Wald und auf den Feldern hätte sie

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