Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
die Stadt bayernweit bekannt gemacht hatte.Jakob Kuisls Großvater Jörg Abriel war damals zu einem Batzen Geld und zweifelhafter Berühmtheit gekommen. Mit Dienerschaft und Kutsche war er zu den einzelnen Hinrichtungsorten gereist und hatte noch aus jeder Hexe ein Geständnis herausgepresst.
»Diese Dominikaner...«, fragte Simon nach einer Pause. »Sind sie nicht oft als Inquisitoren bei den Hexenprozessen dabei?«
Der Henker nickte. » Domini canes werden sie auch genannt. Die Hunde des Herrn. Sie sind schlau und belesen, und sie erledigen für den Papst die Drecksarbeit.« Er spuckte auf den mit frischen Binsen bedeckten Fußboden. »Wollen hoffen, dass keiner von diesem verruchten Orden jemals in Schongau auftaucht. Wo die Dominikaner sind, brennen die Feuer. Und wer muss sich dann wieder die Hände schmutzig machen? Na, wer wohl? Ich! Drecksbande, vermaledeite! Gewissenlose Klugscheißer und Pergamentfresser, die sich am Leiden der anderen ergötzen!«
Jakob Kuisl hatte sich in Rage geredet. Unter seinem Mantel zog er eine Flasche Branntwein hervor und nahm einen tiefen Schluck. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund und atmete tief aus. Langsam nur fand er zu seiner alten Ruhe zurück.
»Gebraucht Ihr selber noch dieses ... Buch?« Simon deutete zögerlich auf den »Hexenhammer« im Regal.
Der Henker schüttelte den Kopf und ging hinüber in die warme Stube. »Ich hab andere Methoden. Und jetzt erzähl, was ihr oben bei der Burg gefunden habt.«
Sie machten es sich am Ofen bequem, auf dem ein Eintopf aus Zwiebeln, Rüben und Speck köchelte. Simon spürte plötzlich, wie hungrig er war, und griff dankbar zu, als der Henker ihm und sich selbst die Teller füllte.
Nachdem sie eine Weile schweigend vor sich hin gelöffelt hatten, deutete Simon auf den verbundenen Arm des Henkers.
»Ist das bei der Räuberjagd passiert?«, fragte er. Jakob Kuisl nickte, wischte sich den Mund mit dem Hemdsärmel ab und schob den Teller zur Seite. Dann begann er, seine lange Stielpfeife zu stopfen.
»Wir haben sie erwischt«, brummte er. »Unten in der Ammerschlucht, bei den Schleyerfällen. Ein Gutteil ist tot, der Rest sitzt oben in der Fronfeste. Ich werd also auch in den nächsten Tagen noch viel zu tun haben und dir nicht helfen können.« Er zündete mit einem Kienspan die Pfeife an und musterte Simon mit strengem Blick. »Aber jetzt red endlich! Was ist dort oben auf dem Schlossberg passiert? Oder muss ich dir erst die Daumenschrauben anlegen?«
Simon grinste heimlich. Auch wenn der Henker sich mürrisch und schweigsam gebärdete, Kuisls Neugierde stand seiner eigenen in nichts nach. Gerne hätte der Medicus noch mehr von dem Kampf mit den Räubern erfahren. Doch dann berichtete er von seinem Fund in der Krypta der Schlosskapelle und der anschließenden Suche mit Benedikta.
»Diese Inschrift«, endete er. »Sie muss ein Rätsel sein. Und das Wort ›Baum‹ ist großgeschrieben. Aber, ich schwöre, wir haben sämtliche Bäume in dem ganzen verdammten Bergwald untersucht. Wir haben nichts gefunden!«
»Eine deutsche Inschrift ... «, murmelte der Henker. »Merkwürdig, man könnt doch meinen, dass zur Zeit der Templer lateinisch geschrieben wurde. Jedenfalls ist das in allen meinen alten Büchern so. Nur geschwollenes Latein, kein Deutsch, geschweige denn Bayerisch. Sei’s drum ... « Er fing an, mit seiner Stielpfeife große schwarze Wolken zu paffen. Konzentriert sah er ihnen im flackernden Licht des Kienspans nach.
»Dieser Hundsfott von Templer schickt uns auf eine lange Reise«, murmelte er. »Zuerst die Krypta in der Lorenzkirche, dann die Altenstadter Basilika. Und die Peitinger Schlossruine scheint auch noch nicht das letzte Rätsel zu sein. Was mag bloß am Ende auf uns warten?«
»Ich glaube, ich weiß es«, sagte Simon und erzählte von seiner Vermutung, dass der Tempelmeister Friedrich Wildgraf einen Teil des Templerschatzes hier versteckt hatte. Der Henker hörte schweigend zu.
»Dieser Schatz ist jenseits jeder Vorstellungskraft«, endete Simon flüsternd, als hätte er Angst, jemand könnte sie belauschen. »Vermutlich lassen sich damit ganze Städte kaufen und Kriege bezahlen. Ein solcher Schatz würde auch den Mord an Koppmeyer, diese Mönche beim Strasser-Wirt und das Attentat auf Euch erklären. Jemand will mit allen Mitteln mögliche Mitwisser ausschalten.«
»Aber was soll dieser ganze Zinnober mit Rätseln und Versteckspiel«, knurrte der Henker und sog an seiner Pfeife. »Ein
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