Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
gleich wieder draußen.«
»Und wenn der Lechner davon erfährt?«, murrte Johannes, während er hungrig die warmen Kastanien schälte. »Der reißt mir den Arsch auf.«
Jakob Kuisl winkte ab. »Ach, der Lechner. Der dreht sich grad noch einmal um und schnarcht weiter. Geh heut nach dem Mittagsläuten zu meiner Frau runter. Da kannst du dir einen Fichtenbalsam gegen deine Erkältung abholen.«
Der Büttel schob sich grinsend eine dampfende Kastanie zwischen die schwarzgelben Zähne, dann öffnete er mit einem großen, rostigen Schlüssel die Tür zur Fronfeste.
»Aber malträtier den Scheller nicht zu arg«, rief er dem Henker mit vollem Mund nach. »Sonst kippt er uns noch vor dem Rädern um, und das wär doch jammerschad!«
Jakob Kuisl antwortete nicht, sondern ging zu den Zellen, die im hinteren Teil des Gewölbes lagen. Man hatte die Männer und Frauen aufgeteilt, manche der Räuber lagen apathisch auf dem kalten Felsboden, die Wunden nur notdürftig versorgt. Der sechsjährige Knabe, der Kuisl schon gestern aufgefallen war, schien hohes Fieber zu haben. Seine Mutter wiegte ihn auf dem Schoß, er zitterte am ganzen Leib und blickte mit leeren Augen zur Decke. Als Kuisl näher kam, rüttelten einige der Männer, die noch stehen konnten, an den rostigen Gitterstäben.
»Jetzt schon, Henker?«, rief einer von ihnen. »Wo’s grad gemütlich wird! Hast wenigstens deine Henkersmahlzeitdabei?« Andere lachten. Es stank nach Kot und nassem Stroh.
»Gott verfluche dich!«, schrie eine der beiden gefangenen Frauen und hielt ihm ihr schreiendes Kind entgegen. »Wer kümmert sich um meinen Kleinen, wenn ich nicht mehr da bin? Wer? Oder wollt ihr ihn gleich mitaufhängen?«
»Halt’s Maul, Anna!«, erklang eine Stimme aus der Zelle ganz rechts. »Wenn das Balg überlebt, werden sie es der Kirche geben. Der Bub hat’s von uns allen noch am besten. Und jetzt sterbt wenigstens mit Anstand, wenn ihr schon nicht so gelebt habt!«
Hans Scheller stand breitbeinig in der Mitte der Zelle, die Arme vor dem muskulösen Brustkorb verschränkt. Er sah aus wie ein grobbehauener Klotz, unverrückbar ,die Gesichtszüge eingekerbt wie in hartes Nussholz. Seine Wangen waren von den Schlägen blau und verquollen, getrocknetes Blut hatte das linke Auge vollständig verklebt. Doch das rechte Auge blickte Jakob Kuisl wach und stolz an.
»Was willst du, Kuisl? «, fragte Hans Scheller. »Du kommst doch nicht, um uns zum Schafott zuführen. Da macht ihr doch eine große Feier draus, mit Wein und Tanz und Gelächter ,und wenn der Scheller laut beim Rädern schreit, gibt’s für dich einen Gulden extra. Aber ich werd nicht schreien, verlass dich drauf.«
»Es hat noch jeder geschrien«, knurrte der Henker. »Darauf hast du mein Wort.«
In Schellers Augen konnte Jakob Kuisl kurz das Blitzen von Angst erkennen. Das Rädern galt als die grausamste aller Hinrichtungsarten. Dabei wurde dem Verurteilten erst mit einer Eisenstange jeder einzelne Knochen gebrochen, dann band der Henker den Übeltäter auf ein Wagenrad. Wenn der Mann Glück hatte und der Scharfrichter gnädig war , brach dieser ihm am Ende den Hals; hatte er Pech, richtete der Henker das Rad auf und ließ ihn langsam in der Sonne verrecken. Das konnte mehrere Tage dauern.
Jakob Kuisl zwinkerte Scheller zu. »Wir wollen sehen, vielleicht kommt’s ja ganz anders.«
»Hoho!«, höhnte einer der Räuber aus der Nachbarzelle. »Der Henker lässt uns laufen, und der Papst wischt sich den Arsch mit Eichenblättern!«
»Halt’s Maul, Springer!«, rief Hans Scheller. »Sonst schneid ich dir noch vor dem Henker die Nase ab.«
Der Räuber verstummte. Auch die anderen zogen sich langsam von den Gitterstäben zurück und ließen sich im nassen, dreckigen Stroh nieder.
»Also, Kuisl, was willst du?«, flüsterte der Räuberhauptmann.
Der Henker beugte sich ganz nah an die Stäbe, so dass er den fauligen Atem des Räubers riechen konnte. Hans Schellers Gesicht war eine Landschaft aus Narben, Bartstoppeln, blauen Flecken und getrocknetem Blut.
»Wenn du mir sagst, wo ihr eure Beute habt, dann kann ich bei der Stadt vielleicht eine mildere Bestrafung aushandeln«, sagte Kuisl leise.
»Beute?« Hans Scheller tat verwundert und grinste ihn unschuldig an. »Welche Beute?«
Mit einer blitzschnellen Bewegung griff Jakob Kuisl durch die Gitterstäbe nach der rechten Hand des Räuberhauptmanns und bog ihm die Finger um, bis es merklich knackte. Hans Scheller wurde weiß im Gesicht.
»Keine
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